420 Straßburg (1885 bis 1894)
der Gäste herzlichen Dank sage. Diese Zeichen sympathischer Gesinnung
sind mir wohltuend, wenn sie mich auch nicht überraschen. Weiß ich doch,
daß Buchsweiler, daß das Hanauer Land bis in die neuere Zeit in engerer
Verbindung mit Altdeutschland gestanden hat. Da hat sich denn wohl
deutsche Gesinnung erhalten. Diese Zeichen sind mir wohltuend gewesen
in einer Zeit, wo hierzulande Unruhe und Zweifel die Gemüter durch-
ziehen. Ich benutze deshalb die heute gebotene Gelegenheit zu einem
offenen Wort. Wir haben seinerzeit Elsaß und Lothringen mit dem
Deutschen Reich vereinigt unter der allseitigen Zustimmung der deutschen
Nation, weil die Erfahrung von Jahrhunderten uns zwang, unfre west-
liche Grenze zu sichern. Sobald nun die Lage Europas gefahrdrohend
wird oder gefahrdrohend zu werden scheint, tritt die Frage an uns heran,
ob diese Grenze wirklich gesichert sei. Dies legt der Regierung des Landes
Pflichten auf, die sie erfüllen muß. Ich denke aber nicht daran, in dieser
Tätigkeit für die Sicherheit des Landes die einzige Aufgabe der Regierung
zu erblicken. Unfre Aufgabe ist größer, sie umfaßt ein weites Feld frucht-
bringender Tätigkeit in geistiger und materieller Beziehung. Diese Aufgabe
wird die Regierung zu lösen bemüht sein. Sie rechnet dabei auf die ver-
trauensvolle Mitwirkung der Bevölkerung. Diesem gegenseitigen Vertrauen,
dieser gemeinsamen Tätigkeit gilt mein Trinkspruch.
Journal.
Straßburg, 11. Juni 1887.
Graf Leusse aus Reichshofen kam vor einigen Tagen zum Frühstück.
Er erzählte von der Entrevue des Kronprinzen mit dem Grafen von Paris
in dem italienischen Seebad im vergangenen Herbst und behauptete, man
habe dort sehr wichtige Dinge besprochen und die Eventualität der Rück-
kehr der Orleans auf den französischen Thron beraten. Der Graf von
Paris habe ihn nun, als er erfahren, daß Leusse hierher gehe, beauftragt,
mir zu sagen, daß der Prinz nicht daran denke, Abmachungen mit dem
Kronprinzen hinter dem Rücken des Reichskanzlers zu machen. Er wisse
sehr wohl, daß es nicht möglich sei, eine politische Aktion gegen den Willen
des Reichskanzlers durchzuführen. Da er nun wisse, daß der Fürst der
Wiederherstellung der Monarchie in Frankreich nicht geneigt sei, so werde
der Graf von Paris warten, bis etwa der Fürst seine Ansicht geändert
haben und zu der Ueberzeugung gekommen sein werde, daß man mit der
Republik in Frankreich ein Ende machen müsse. Der Graf von Paris
bittet nun, ihn zu benachrichtigen, wenn dieser Zeitpunkt gekommen sein
werde. Seine Organisation sei vollendet, um die Restauration durch-
zusetzen.