Straßburg (1885 bis 1894) 435
Katholiken würden nicht mit Enthusiasmus an dem Kriege teilnehmen.
Darauf spekuliert Rußland, und Frankreich scheint dem beizustimmen.
England soll den Herzog von Edinburg beauftragt haben, seinerseits Toulon
zu beschießen, wenn Frankreich Spezzia nähme. Daran scheint die Sache
gescheitert zu sein. Diese Nachrichten scheinen durch Galimberti nach
Berlin gebracht worden zu sein. Ueber die Battenbergsche Sache erzählt
der Großherzog, daß die Krisis ziemlich ernst war. Die Kaeiserin hatte
gesagt, es sei am Ende kein Unglück, wenn Bismarck abgehe. Das hatte
man ihm sofort hinterbracht. Dann der Zeitungskrieg. Mallet hat an die
Königin Viktoria nach Florenz berichtet, es sei für die englischen Interessen
sehr nachteilig, wenn die Königin den Anschein habe, als interessiere sie
sich für die Battenbergsche Heirat. Gerade bei ihrer bevorstehenden An-
kunft in Berlin müsse es vermieden werden, daß man glaube, die Königin
protegiere die Heirat. Dem schloß sich auch das englische Ministerium an.
Darauf schrieb die Königin Viktoria einen groben Brief an die Keiserin,
ihre Tochter, und auch bei ihrer Anwesenheit setzte sie ihre Ansicht in
energischer Weise auseinander, was zu peinlichen Tränenszenen geführt hat.
Es scheint, daß der Großherzog sehr gut vermittelt hat. Die Beziehungen
zwischen der Königin Viktoria und dem Reichskanzler haben sich sehr gut
gestaltet. Sie waren beide voneinander enchantiert.
Berlin, 24. Mai 1888.
Gestern um 4 Uhr war ich bei der Kaiserin Friedrich bestellt. Wir
sprachen zuerst über die Krankheit des Kaisers, über welche die Kaiserin
noch einige Illusionen zu haben scheint. Möglich ist es ja, daß die Krankheit
noch lange dauert. Die Voraussetzungen eines baldigen Endes haben sich
bis jetzt nicht bestätigt. Die Kaiserin erwähnte, daß die Herzogin von
Galliera sich für Rothan 1) verwandt habe. Ich sagte ihr, daß die Rückkehr
an dem Widerspruch „des großen Mannes“, wie sich die Kaiserin aus-
drückte, scheitern werde. Das sah die Kaiserin ein.
Berlin, 25. Mai 1888.
Gestern war ich in Charlottenburg bei der Hochzeit des Prinzen
Heinrich. Die Feier war kurz, aber recht feierlich. Der Kaiser kam zur
Trauung in die Kapelle, sah sehr angegriffen aus und zog sich bald zurück.
Bei dem Dejeuner war er nicht. Ich saß zwischen Pleß und Goltz den
Herrschaften gegenüber und machte Betrachtungen über die Physiognomien
der höchsten Herrschaften. Nach dem Dejeuner war kein Cercle, sondern
alles fuhr nach Hause.
1) Französischer Diplomat, der aus dem Elsaß ausgewiesen war.