Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 441 
eleganter österreichischer Hofrat aussieht. Wilmowski flößte mir mehr 
Vertrauen ein. Um 5 Uhr zu Bleichröder. Wir sprachen oder vielmehr 
er sprach zuerst über die politische Lage. Er ist zufrieden und sagte, der 
Reichskanzler sei es auch. Nur müsse der Kaiser sich hüten, nicht in die 
Hände der Orthodoxen zu geraten. Das vertrage man im Lande nicht. 
(Darin hat er recht.) Eine andre Gefahr sei Waldersee und dessen An- 
hang. Waldersee sei der Gegner Bismarcks und halte sich zu allem be- 
fähigt und berufen. Wer stehe dafür, daß diese Herren nicht wieder das 
alte Spiel anfingen und dem Kaiser sagten: Eigentlich bist du doch nur 
eine Puppe, Bismarck regiert. Bei dem alten Herrn habe dies keinen 
tiefen Eindruck gemacht, der junge werde empfindlicher sein. Bismarck 
wünscht daher Waldersees Entfernung und wird ihn, wenn er kann, auch 
nach Straßburg als kommandierenden General schicken. Vielleicht ergreift 
er alle die Maßregeln nur, um mir die Stellung zu verleiden und um 
dadurch einen Gegner unschädlich machen zu können, wenn ich wegginge. 
Bleichröder sagt, den Paßzwang habe er nur eingeführt, um dem Kaiser 
zu zeigen, daß er auch scharf gegen die Franzosen vorgehen könne, um 
dadurch der Militärpartei den Rang abzulaufen. Bismarck denkt vor allem 
daran, seinen Sohn fest in den Sattel zu setzen. Das sei sein haupt- 
sächlichstes Tun und Denken. Es ist deshalb keine Hoffnung, daß unfre 
Zustände in Elsaß-Lothringen besser werden. Was Rußland betrifft, so 
erwartet Bleichröder ein Ereignis, etwas Exotisches, wodurch Rußland 
gewonnen werden soll, sei es Abzug der Truppen oder Kaiserzusammen- 
kunft. Der Kaiser, sagt Bismarck, wird keinen Krieg anfangen. Wenn 
er aber kommt, wird er ihm nicht unwillkommen sein. 
Straßburg, 11. Juli 1888. 
Schon seit längerer Zeit war von Schraut das Projekt angeregt und 
vorbereitet worden, eine Fahrt nach dem Reservoir im Sewental zu machen. 
Es ist dies ein künstlicher See, der durch eine Riesenmauer, die quer durch 
das Tal geht, hergestellt worden ist. Die Mauer ist 255 Meter lang 
und so breit, daß ein Wagen darauf fahren kann. In der Mitte ist 
ein Durchlaß, der dazu dient, das Wasser des Sees nach Bedürfnis in 
die Doller zu leiten, das Flüßchen, das nach Mülhausen fließt. Die An- 
lage hat 400 000 Mark gekostet und ist für Industrie und Landwirtschaft 
sehr wichtig. Sie ist dieses Jahr beendigt. 
Am Montag Nachmittag setzten wir uns in Bewegung. Ein Teil 
der Herren, Back und Studt, waren schon voraus, andre, namentlich 
Landesausschußmitglieder, sollten uns am folgenden Morgen in Mülhausen 
treffen. Mit mir fuhren, außer Jordan, Thaden und Alexander, Putt- 
kamer, Schraut und einige Ministerialräte.
	        
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