444 Straßburg (1885 bis 1894)
gebracht, weil der Kutscher nicht durch die Ehrenpforte, sondern außen herum
fuhr. Dadurch wurde dann die Ansprache nicht an der richtigen Stelle
gehalten, was den dirigierenden Lehrer in solche Aufregung brachte, daß
er alle Welt hin und her schob und mich gar nicht sah. Endlich kam Ruhe
in die Sache, und dann las ein Junge die Anrede im Namen des Bürger-
meisters der Gemeinde vor, in der er betonte, daß seit dem dreizehnten
Jahrhundert kein Landesfürst hier gewesen sei, nämlich seit Ludwig dem
Heiligen von Frankreich, dem ich nun die Ehre hätte, nachzufolgen. Von
Sewen kommt man bald zu dem Reservoir. Am Fuße des Berges stiegen
wir aus und wanderten hinauf. Das Ganze ist höchst interessant und die
Gebirgslandschaft schön. Leider blieb das Wetter unbestimmt. Von Zeit
zu Zeit kleine Regenschauer. Nachdem sich das Wetter etwas gebessert
hatte, hielt Schlumberger eine Rede, auf die Schraut im Namen der
Regierung antwortete. Dann wurde in einer Laube gefrühstückt, und um
3 Uhr fuhren wir nach Masmünster zurück, wo um 4 Uhr ein großes
Diner bestellt war. Ich trank auf den Kaiser, Mieg-Köchlin auf mich,
worauf ich dankte und den Landesausschuß und alle Mitarbeiter an dem
Werke leben ließ. Um 7 Uhr Abfahrt mit der Bahn nach Mülhausen,
wo wieder „ein Glas Bier" in der Bahnhofrestauration getrunken wurde.
Die Mülhauser Mitreisenden verabschiedeten sich hier, und wir fuhren nach
Straßburg, wo wir 1½ Uhr nachts ankamen.
Im ganzen kann ich mit dem Empfang, der überall in allen kleinen
Städten und Dörfern äußerst herzlich war, zufrieden sein. Besonders die
katholische Geistlichkeit kam mir mit großer Freundlichkeit entgegen.
Baden, 15. Juli 1888.
Gestern Mittag von Straßburg hierher. Nachmittags Besuch bei
dem Großherzog, der mir seine Zustimmung zur Mülhauser Rede aus-
sprach. Abends bei der Kaiserin zum Tee, die wie immer liebenswürdig
war. Heute um 5 Uhr Diner bei der Kaiserin mit den großherzoglichen Herr-
schaften. Die Großherzogin fehlte. Sie liegt zu Bett und macht eine Kur für
ihre Augen. Abends auf der Promenade sprach ich mit Maxime Ducamp.
Er ist über die Maßregeln in Elsaß-Lothringen betrübt, weiß aber, daß ich
nicht die Schuld trage. Er erzählte allerlei, unter anderm, daß zur Zeit der
Wahlen unter den fürstlichen Personen die Rede davon gewesen sei, man
solle die Statthalterschaft erblich machen und mich als erblichen Statt-
halter einsetzen. Das gibt mir zu denken. Es ist sehr möglich, daß die
Bemühungen Bismarcks, mir meine Stellung hier zu verderben, auf den
Neid zurückzuführen sind, welchen die Familie Bismarck darüber empfunden
hat, daß ich diese erbliche Stelle erhalten sollte, während Bismarck nicht
erblicher Herzog von Lauenburg geworden ist. In der Tat hat mir bis-