448 Straßburg (1885 bis 1894)
Dann gingen wir zusammen zur Kaiserin, die ebenso liebenswürdig
war. Ich erwähnte, daß ich mit ihrem Vater in Bonn studiert hätte,
was sie zu einigen Bemerkungen über ihren Vater veranlaßte, von dem
sie sagte, daß er sich recht jugendlich erhalten habe. Dann sprach sie von
ihrer Reise nach Gmunden, auf die sie sich sehr freute, u. s. w.
Ich vergaß zu sagen, daß ich dem Kaiser den Auftrag Kaiser Wil-
helms ausrichtete, worauf er, ebenso wie nachher die Kaiserin, seine Be-
friedigung über den kaiserlichen Besuch aussprach und bemerkte, daß er den
Kaiser sehr zu seinem Vorteil verändert gefunden habe.
Berlin, 21. Januar 1889.
Gestern war das Ordensfest. Bei dem Diner saß ich dem Kaiser
gegenüber neben Moltke. Die Musik war ziemlich störend, aber gegen
Ende der Tafel hatte ich doch Gelegenheit, mit dem Feldmarschall zu
sprechen. Er erzählte allerlei, unter anderm eine Parforcejagd, die er im
Jahre 1867 mit dem Kaiser Napoleon in Fontainebleau geritten hatte.
Dabei ritt er einmal hinter dem Kaiser, der seinen Hut verlor. Der Hut
fiel auf einen Wacholderbusch und blieb hängen, so daß Moltke ihn
nehmen und dem Kaiser aushändigen konnte. „So konnte ich,“ sagte er,
„dem Kaiser seinen Hut zurückgeben. Und drei Jahre später nahmen wir
ihm die Krone."“
Als ich heute nach dem Frühstück bei dem Kaiser war und mit ihm
rauchte, versuchte ich in vorsichtiger Weise von Elsaß-Lothringen zu
sprechen. Er hörte wohlwollend zu und bekundete viel Interesse an den
dortigen Angelegenheiten. Wenn ich aber über die Maßregeln sprach,
hüllte er sich in Schweigen und war nicht dazu zu bringen, eine Meinung
zu äußern. Ich sah, daß er ganz unter dem Einflusse des Reichskanzlers
steht und sich nicht traut, eine von dessen Meinung abweichende Ansicht
zu äußern. So mußte ich den Versuch aufgeben, an dieser Stelle eine
Stimmungsänderung anzubahnen.
Berlin, 23. Januar 1889.
Heute um 5½ Uhr mit Viktor zum Diner bei der Kaiserin Augusta.
Die Kaiserin wie die Großherzogin fragten mich, ob ich mit dem Kaiser
über Elsaß-Lothringen gesprochen und in ihrem Sinne gewirkt habe. Ich
sagte ihnen, daß ich es nicht für opportun gehalten hätte, bestimmte Vor-
schläge zu machen, weil ich bemerkt hätte, daß der Kaiser ganz unter dem
Einfluß des Reichskanzlers steht und keine abweichenden Entschlüsse dis-
kutiert. Ich vertröstete die hohen Damen auf die Zukunft. Bei Tisch
klagte die Großherzogin über die schwere Zeit, die sie infolge der Geffcken-