Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 457 
Es ist möglich, daß es demnächst zu einem Zusammenstoß zwischen 
Kaiser und Kanzler kommt. Das wäre schlimm trotz alledem. 
Straßburg, 25. Juni 1889. 
Gestern kam der Militärattaché von Paris, Herr von Huene, hier 
durch und besuchte mich. Er erzählte, daß die französische Armee der 
unsrigen zurzeit überlegen sei. Die Bewaffnung und das Pulver seien 
sehr gut, und die Infanterie sei in ihrem Reglement ganz fest. Freycinet!) 
werde von der Armee allgemein als der beste Kriegsminister, den sie seit 
lange gehabt, anerkannt. Infolgedessen sei die französische Generalität 
sehr kriegslustig und rechne auf Erfolg. Wir dagegen brauchten nach 
Huenes Ansicht noch mindestens ein halbes Jahr, um mit unsern Vor- 
bereitungen fertig zu werden, auch sei unfre Infanterie in dem neuen 
Reglement noch nicht genügend eingeübt. Er habe dies auch dem Kaiser 
gesagt. Es sei deshalb nötig, daß wir uns recht ruhig verhielten. Den 
Konflikt mit der Schweiz beklagt er, wie alle Militärs. Auch der Paß- 
zwang helfe nichts und schade nur durch die Erbitterung, die er im Lande 
verbreite. Ich sagte ihm, er möge das Waldersee sagen, den er jetzt aufsucht. 
Wenn Waldersee sich gegen den Paßzwang ausspreche, werde Bismarck 
nachgeben. Daß der Krieg nicht zu vermeiden sei, ist ihm gewiß. Nur 
teilt er meine Ansicht, daß wir ihn nur dann mit Sicherheit führen können, 
wenn das ganze deutsche Volk mit Erbitterung in den Krieg zieht. Die 
Zivilregierung in Frankreich ist für den Frieden. Aber wenn einmal die 
Ausstellung vorbei sei, werde der Krieg losbrechen. Die ewigen Nörgeleien 
bei uns erbitterten die Franzosen. Nicht die Annexion von Elsaß-Loth- 
ringen, sondern die verletzte Nationaleitelkeit treibe die Franzosen in 
den Krieg. 
8. Juli. 
Gestern traf ich in Baden mit Maxime Ducamp zusammen. Er bat 
um das Visa des Passes für den ehemaligen Polizeipräfekten Pietri, was 
ich ihm zusagte. Dann erzählte er allerlei von der Kommune und kam 
auf Boulanger, von dem er behauptet, daß er an Terrain gewinne, so 
sehr er auch mißachtet sei. Der Prinz Napoleon, den Maxime Ducamp 
jetzt in Prangins besucht hat, sagte ihm, Boulanger sei „le bélier", um 
die Republik zu stürzen: „et puis après on verra“. Maxime Ducamp 
hat dagegen bemerkt, wenn er reüssiere, werde er die Prätendenten hinaus- 
jagen und selbst bleiben. 
Prinz Napoleon sagte u. a., über Elsaß-Lothringen müsse man jetzt 
das Kreuz machen. 
  
1) Kriegsminister im Ministerium Floquet 3. April 1888, ebenso im Ministerium 
Tirard 21. Februar 1889.
	        
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