Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

462 Straßburg (1885 bis 1894) 
Nachher kam Bismarck auf die elsaß-lothringische Paßfrage und be- 
hauptete, der Paßzwang habe schon gut gewirkt. Ihm liegt daran, die 
Pariser fernzuhalten und die Verbindung mit Paris zu beschränken. 
Mein Einwand, daß die Elsaß-Lothringer nach Paris gehen, überzeugte 
ihn nicht. Auch die Jagdkartenfrage konnte ich ihm trotz aller Mühe 
nicht klarmachen. Er sagt, „es sind immer Franzosen“, und denen will 
er in Elsaß-Lothringen keine Konzessionen machen. Ich sagte, die Be- 
amten in Elsaß-Lothringen hätten die Meinung, er sei der Ansicht, daß 
die Elsaß-Lothringer geknufft werden müßten. Das bestritt er lachend 
und wiederholte, daß er nur die Verbindung mit Frankreich unterbrochen 
sehen wolle. Ich insistierte dann nicht weiter, weil ich sah, daß es nichts 
helfen würde. 
Es interessierte ihn, daß ich ihm sagte, es gäbe Elsässer, die das 
Wahlrecht zum Reichstage gern aufgehoben sähen. Das, meinte er, könne 
wohl einmal geschehen. Den Sozialdemokraten müsse man auch das 
Wahlrecht nehmen, denn diese Feinde könnten nicht mitberaten. 
Mit dem von mir geäußerten Gedanken, daß man die Protestler, 
welche offen den Protest als Wahlprogramm aufstellten, nicht dulden dürfe, 
erklärte er sich einverstanden und hielt die Ausweisung für angezeigt. 
Merkwürdig war mir die tiefe Abneigung, die er für Kaiser Friedrich 
hat. Er erklärte ihn für einen egoistischen, kalten Menschen und spricht 
ihm jedes Herz ab. Einzelne Tatsachen, die er zitierte, waren allerdings 
sonderbar. 
Berlin, 21. März 1890. 
Heute früh ½8 Uhr kam ich hier an und ging um 9 Uhr zu Viktor, 
wo ich das Extrablatt fand, in welchem das Schreiben des Kaisers an 
Bismarckt) und die Ernennung zum Herzog von Lauenburg abgedruckt 
waren. Ich hörte nun hier und auch später von andern, daß ein wirk- 
licher Bruch zwischen dem Kaiser und Bismarck die Ursache des Rücktritts 
ist. Die Art, wie Bismarck den Kaiser behandelte, die abfälligen Urteile, 
die er über den Kaiser in Konversationen mit Diplomaten fällte, ander- 
seits die unfreundliche Art, in der beide miteinander verkehrten, machten 
den Bruch unvermeidlich. Da nun der Kaiser schon vor Wochen mit 
Caprivi über die eventuelle Ernennung zum Reichskanzler verhandelt hat 
und Bismarck dies wieder erfuhr, so konnte die Sache nicht länger dauern. 
Hier ist die Stimmung geteilt. Die einen geben dem Keiser recht, die 
andern Bismarck. Die Fürstin soll auch nicht zur Versöhnung mitgewirkt, 
  
  
1) Das Schreiben vom 20. März, durch welches das Entlassungsgesuch ge- 
nehmigt wurde.
	        
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