Straßburg (I885 bis 1894) 463
sondern gehetzt haben, und man glaubt, daß auch Herbert #) nicht bleiben
wird. Man sagt auch, daß Bismarck in letzter Zeit oft seine An-
sicht geändert und dadurch Mißtrauen bei dem Kaiser erregt habe. Dazu
kamen noch Kleinigkeiten, die Bismarck irritierten, so die Verleihung des
Schwarzen Adlerordens an Bötticher, die Vorträge der Minister bei dem
Kaiser ohne Wissen des Reichskanzlers und ähnliches. Heute Abend ist
Diner, wo ich den Kaiser sehen werde.
Berlin, 22. März 1890.
Gestern Nachmittag machte ich einige Besuche, habe aber Bismarck
noch nicht gesprochen. Wahrscheinlich sehe ich ihn heute. Die Familie
und besonders die Fürstin soll sehr irritiert sein.
Um 7 Uhr war Diner im Weißen Saal. Ich saß gegenüber der
Kaiserin und zwischen Moltke und Kameke. Ersterer wäre sehr gesprächig
gewesen, wurde aber durch die unaufhörliche Musik gestört und war dar-
über sehr ärgerlich. Man hatte nämlich zwei Musikkorps einander gegen-
über aufgestellt, und wenn eins aufhörte, fing das andre an zu trompeten.
Es war kaum zum Aushalten. Der Kaeiser hielt eine Rede zu Ehren der
Königin von England und des Prinzen von Wales?) und erwähnte die
Ernennung zum englischen Admiral (dessen Uniform er trug) und die
Waffenbrüderschaft in der Schlacht bei Waterloo, auch hoffte er, daß die
englische Flotte mit der deutschen Armee gemeinsam den Frieden erhalten
werde. Moltke sagte mir dann: „Goethe sagt: „Ein politisch Lied ein
garstig Lied.“ Auch sprach er die Hoffnung aus, daß diese Rede nicht
in der Zeitung erscheinen werde.
Eben war Caprivi bei mir. Er fragte mich, wen er zum Minister
der auswärtigen Angelegenheiten ernennen solle, ich sagte ihm, ich wüßte
niemand als Hatzfeld. Damit war er einverstanden, aber er wie auch
ich fanden die Schwierigkeit in den finanziellen Verhältnissen Hatzfelds.
Im Verlauf des Gesprächs fragte er mich nach dem Paßzwang. Ich
sagte offen meine Meinung: Nicht Aufhebung des Paßzwangs, aber ver-
nünftige Handhabung, und Abschaffung der Jagdkartenverordnung. Das
leuchtete ihm ein, doch meinte er, es würde gut sein, noch einige Monate
zu warten, damit man nicht meine, es solle jetzt alles neu gemacht
und umgestürzt werden. Im allgemeinen haben wir uns sehr gut ver-
ständigt, und ich wünsche mir Glück, daß er zum Reichskanzler ernannt
worden ist.
1) Erhielt seine Entlassung am 26. März.
2) Prinz Georg, der Sohn des Prinzen von Wales, hatte die Investitur als
Ritter des Schwarzen Adlerordens erhalten. Der Prinz von Wales war zugegen.