Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

468 Straßburg (1885 bis 1894) 
Unterbrechung die ganze Geschichte seines Zerwürfnisses mit Bismarck er- 
zählte. Danach hat die Verstimmung schon im Dezember begonnen. Da- 
mals schon verlangte der Kaiser, daß etwas in der Arbeiterfrage geschehen 
solle. Der Kanzler war dagegen. Der Kaiser ging von der Anschauung 
aus, daß, wenn die Regierung nicht die Initiative ergreife, der Reichstag, 
d. h. Sozialisten, Zentrum und Fortschrittspartei, die Sache in die 
Hand nehmen würden und dann die Regierung hinterher kommen werde. 
Der Kanzler wollte das Sozialistengesetz mit der Ausweisung dem neuen 
Reichstag wieder vorlegen, diesen, wenn er es nicht annehme, auflösen 
und dann, wenn es zu Aufständen käme, energisch einschreiten. Der 
Kaiser widersetzte sich dem, weil er sagte, wenn sein Großvater nach einer 
langen ruhmreichen Regierung genötigt worden wäre, gegen Aufständische 
vorzugehen, so würde ihm das niemand übelgenommen haben. Anders 
sei dies bei ihm, der noch nichts geleistet habe. Ihm werde man vor- 
werfen, daß er seine Regierung damit anfange, seine Untertanen tot- 
zuschießen. Er sei bereit einzuschreiten, aber er wolle dies mit gutem Ge- 
wissen tun, nachdem er versucht habe, die begründeten Beschwerden der 
Arbeiter zu befriedigen, wenigstens alles getan habe, um deren begründete 
Forderungen zu erfüllen. Der Kaiser verlangte also in einer Minister- 
konferenz die Vorlage von Erlassen, welche das enthalten sollten, was die 
Erlasse später gebracht haben. Bismarck wollte davon nichts wissen. Der 
Kaiser legte nun die Frage dem Staatsrat vor, und endlich gelang es 
ihm auch trotz des Widerspruchs Bismarcks, die Erlasse zu bekommen. 
Bismarck aber arbeitete im stillen dagegen, versuchte die Schweiz zu be- 
stimmen, an ihrer Konferenz festzuhalten, was durch Roths, des Schweizer 
Gesandten in Berlin, loyale Haltung vereitelt worden ist. Außerdem 
arbeitete Bismarck bei den Diplomaten gegen die Konferenz. War nun 
schon durch diese Reibereien das Verhältnis zwischen Bismarck und dem 
Kaiser erschüttert, so wurde die Verbitterung noch verschärft durch die 
Frage der Kabinettsorder von 1852. Bismarck hatte dem Kaiser öfters 
geraten, sich die Minister kommen zu lassen. Das tat der Kaiser. Als 
nun aber der Verkehr zwischen Kaiser und Ministern häufiger wurde, 
nahm dies Bismarck wieder übel, wurde eifersüchtig und holte die 
Kabinettsorder von 1852 hervor, um die Minister wieder vom Kaiser ab- 
zuziehen. Dagegen reklamierte der Kaiser und verlangte die Aufhebung 
der Kabinettsorder, womit Bismarck sich anfangs einverstanden erklärte, 
später aber nichts mehr von sich hören ließ. Nun verlangte der Kaiser, 
daß er entweder die Aushebungsorder vorlege oder seine Entlassung 
nehme. Dies ließ der Kaiser dem Fürsten durch Hahnke sagen. Der Fürst 
zögerte, gab aber dann am 18. März seine Entlassung. Noch ist nach- 
zutragen, daß schon im Anfang Februar Bismarck dem Kaiser gesagt
	        
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