Straßburg (1885 bis 1894) 469
hatte, er werde sich zurückziehen. Nachher erklärte er aber, er habe sich
anders besonnen und werde bleiben, was dem Kaiser unangenehm war,
wogegen er aber nicht remonstrierte, bis dann die Geschichte mit der
Kabinettsorder dazukam. Auch der Besuch Windthorsts beim Fürsten
gab zu unliebsamen Erörterungen Anlaß, doch gab er nicht den Ausschlag.
Jedenfalls waren die letzten drei Wochen reich an unangenehmen Erörte-
rungen zwischen dem Kaiser und dem Fürsten. Es war, wie der Kaiser
sich ausdrückt, „eine hanebüchene Zeit“, und es handelte sich, wie der
Kaiser ferner sagte, darum, ob die Dynastie Hohenzollern oder die Dynastie
Bismarck regieren solle. Auch über die Artikel in den „Hamburger
Nachrichten“ sprach sich der Kaiser sehr entrüstet aus. Was die aus-
wärtige Politik betrifft, so behauptet der Kaiser, daß Bismarck seinen
eignen Weg gegangen sei und ihm vieles vorenthalten habe, was er tat.
Ja, er sagt, Bismarck habe nach St. Petersburg sagen lassen, daß der
Kaiser eine antirussische Politik befolgen wolle. Doch, setzte der Kaiser
hinzu, er habe dafür keine Beweise.
Diese Unterredung zwischen dem Kaiser und mir wurde teils auf
dem Hinweg nach dem Jagdhaus, teils auf dem Rückweg geführt. Da-
zwischen lag die Jagdepisode, die zu keinem Resultat führte, weil der
Kaiser unter einen Baum trat, solange es dunkel war, auf dem ein Hahn
saß, der nicht balzte. Nun mußte er warten und verlor die Zeit. Doch
hat er sich gut unterhalten.
Straßburg, 3. Juni 1890.
Am 2. war die Grundsteinlegung zu der neuen Kapelle in Schillings-
fürst. Die Teilnehmer waren auf 1 Uhr eingeladen, der Bezirksamtmann,
der Oberamtsrichter, der Bürgermeister und die zwei Pfarrer. Ich hatte
mit Pfarrer Lehner verabredet, daß ich zuerst einige einleitende Worte
sprechen würde und daß er dann die Weihe des Grundsteins vornehmen
solle. Es war alles recht schön dekoriert mit Fahnen und Laub. Als
alles aufgestellt war, hielt ich meine Ansprache, indem ich sagte: „Ich habe
mich entschlossen, hier eine Kapelle bauen zu lassen, zu der wir heute den
Grundstein legen, um mir und den Meinigen eine würdige, freundliche
und stets zugängliche Ruhestätte zu bereiten. Zwar haben wir in der
Gruft der katholischen Kirche eine würdige und durch den Ort, wo sie sich
befindet, geheiligte Begräbnisstätte. Aber sie ist schwer zugänglich. Und
doch liegt im menschlichen Gemüt tief begründet der Wunsch, die Gräber
derer, die wir geliebt und betrauert haben, von Zeit zu Zeit zu besuchen
und zu schmücken. So entstand der Gedanke, diesen Platz zu einem Fried-
hofe zu wählen. Und damit ihm die Weihe und der Schutz der Kirche
nicht fehle, soll eine Kapelle gebaut werden, um die sich dann die Grab-
steine der Verstorbenen reihen werden unter dem Schatten von Bäumen