Straßburg (1885 bis 1894) 475
hinzusetzte, ich könne nicht besser antworten als mit den Worten meines
verstorbenen Freundes Döllinger, der in einer seiner akademischen Reden
gesagt habe: „Da aber zuletzt nicht materielle Interessen und Leidenschaften
die Welt bewegen und in der Geschichte der Menschheit die Entscheidung
herbeiführen, sondern die großen Gedanken, so werden nach wie vor die
deutschen Hochschulen ihre Aufgabe erfüllen und auch das Vertrauen be-
wahren, daß sie dieser Aufgabe gewachsen sind.“ Dieses Vertrauen ver-
diene vor allem die Universität Straßburg, und ich lud daher die An-
wesenden ein, auf das Wohl der Kaiser-Wilhelms-Universität zu trinken.
Straßburg, 18. März 1891.
Bei der gestrigen parlamentarischen Soiree, wo ich mich besonders
mit den Mitgliedern der Berliner Deputation unterhielt 1) (mit Schlum-
berger, Bulach, Petri, Charpentier und Ruland), hörte ich noch manches
über den Empfang beim Kaiser. Die Herren waren nicht sehr befriedigt
von der offiziellen Antwort, dagegen schöpfen sie Hoffnungen aus der
liebenswürdigen Aufnahme, die sie bei dem kaiserlichen Diner, bei Caprivi
und Miquel erhalten haben. Der meines Dafürhaltens überflüssige Glanz
des Empfangs hat sie sehr geblendet und sie fühlen sich dadurch geehrt.
Pascal David,2) den ich am Schlusse der Soiree sprach, behauptet, er
habe das durch Fischer 3) bewirkt! Ist es wahr, so bezeichnet es einen
sehr bedauerlichen Einfluß der Journalisten auf die Entschließungen in
Berlin. Bulach erzählte von einer langen Unterredung, die er mit dem
Staatssekretär von Marschall gehabt hat, der sich sehr wegwerfend über
Elsaß-Lothringen geäußert und gesagt habe, es sei ihnen in Berlin ganz
gleichgültig, ob die Elsaß-Lothringer zufrieden seien oder nicht. Bei einem
Kriege werde Elsaß-Lothringen der Schauplatz der Kampagne sein. Er
und Bötticher seien diejenigen, die der Demonstration des Landesausschusses
am wenigsten Wert beigelegt hätten. Sie seien es, die die Artikel der
„Kölnischen Zeitung“ gegen den Landesausschuß inspiriert hätten. Caprivi
und Miquel dagegen seien gut gesinnt und unparteiischer. Ich erkläre mir
die Sache so, daß die Generäle dem Kaiser Besorgnisse über die Stimmung
in Elsaß-Lothringen einflößen, indem sie auf die aus dieser Stimmung
hervorgehenden möglichen Gefahren hinweisen. Dies macht den Kaiser,
1) Infolge der Verschärfung des Paßzwangs durch Verfügung des Ministeriums
vom 28. Februar, welche durch die Pariser Vorgänge bei dem Besuche der Kaiserin
Friedrich verursacht war, hatte der Landesausschuß am 4. März eine Adresse an
den Kaiser beschlossen und zu deren Ueberreichung eine Deputation nach Berlin
geschickt. Diese wurde am 14. März in feierlicher Form empfangen.
2) Redakteur der „Straßburger Post“.
3) Vertreter der „Kölnischen Zeitung“ in Berlin.