Straßburg (1885 bis 1894) 481
tranken Kaffee in dem noch ziemlich unwirtlichen Salon, und fuhren dann
nach dem Kanal, den Helmersen graben läßt. Er ist zwölf Werst lang
und wird noch in diesem Herbst fertig und wird den Fluß, der bei Kle-
tischtsche fließt, aufnehmen und in den Niemen leiten. Er wird 10 000 Rubel
kosten und 3000 Dessjatinen Wiesen, die sogenannte Hallina, entwässern.
Es wird nötig sein, noch Nebenkanäle zu bauen, um noch größere Sumpf-
strecken zu entwässern. Da von der Dessjatine vier Rubel für das Heu
bezahlt werden, so wird das die Rente der Herrschaft Naliboki sehr
erhöhen. Wir fuhren dann nach Lubcz und von da auf demselben Wege
wie am Morgen nach Buda zurück. Dort angekommen, aßen wir schnell
zu Mittag und fuhren wieder pirschen. Marie schoß auf einen Hirsch,
der aber vielleicht gefehlt ist. Ich sah einen Spießerelch im hohen Holz
stehen, schoß aber nicht, da ich ihn nur spitz sah und keinen unsicheren
Schuß machen wollte. Er zog ab und kam nicht wieder zum Vorschein.
Berlin, 20. September 1891.
Während meines Aufenthalts in Buda erhielt ich ein Telegramm aus
Straßburg, worin mir mitgeteilt wurde, der Reichskanzler beabsichtige
Mitte des Monats der Frage näher zu treten, ob und wie der Paßzwang
durch andre Maßregeln, etwa Ausbildung des Meldekartenwesens, zu er-
setzen sein möchte. Er bat, Köller 1) mit Instruktionen nach Berlin zu
schicken. Ich antwortete, daß ich Köller schicken und auch selbst um diese
Zeit in Berlin sein würde.
In Berlin am 14. September angekommen, sprach ich den Reichs-
kanzler, der jene Mitteilung bestätigte und sagte, daß er einen General-
stabsoffizier und Arco berufen habe. .
Die Konferenzen begannen in vergangener Woche. Hoseus, Mandel
und obige Personen sowie Frantzius vom Auswärtigen Amt und Köller
nahmen daran teil. Es wurde mehrere Tage verhandelt, und schließlich
einigte man sich über einen Entwurf, der bestimmt, daß der Paßpflicht
nach Maßgabe der Verordnung vom 22. Mai 1888 nur noch unterliegen
sollen:
1. aktive Militärpersonen, ehemalige Offiziere und die Zöglinge mili-
tärisch organisierter Schulen des Auslands,
2. die Emigranten.
Am Sonnabend dem 19. war alles in Ordnung. Beim Diner, das
Caprivi uns gab, sagte er mir, er werde Montag dem Kaiser Vortrag
halten — auf der Eisenbahn —, jedoch nur dann die Frage vorlegen,
1) Nachfolger des zum Oberpräsidenten in Münster ernannten Unterstaats-
sekretärs Studt, der jetzige Staatssekretär.
Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 31