498 Straßburg (1885 bis 1894)
ihn vorzuschlagen, abzubringen. Ich sagte, ich würde es versuchen, glaubte
aber nicht, daß sich Holstein davon abbringen lassen werde.
Heute früh, den 13. Januar, verließ ich Karlsruhe, nachdem ich mich
noch beim Großherzog und der Großherzogin verabschiedet hatte. Um
12¼ war ich wieder in Straßburg.
Berlin, 20. Februar 1893.
Heute nach der Ankunft kam Viktor, den ich zum ersten Male nach
dem Tode seines Vaters 1) sah. Dann ging ich zu Margarete. Ein
trauriges Wiedersehen. Dann ins Auswärtige Amt. Dort war Holstein
noch nicht, ich ging daher zum Reichskanzler. Ich besprach mit ihm die
Frage des Anschlusses der Bahn von Oberhofen nach Bischweiler. Wir
kamen dann auf die Reichtagsverhandlungen. Er sagt, zurzeit sei der
Ausgang zweifelhaft. Die Konservativen würden wohl dafür stimmen.
Aber was die Nationalliberalen böten, sei nicht genügend, vierzigtausend
Mann seien zu wenig, man brauche fünfzigtausend. Die Haltung des Zen-
trums sei unsicher, die demokratischen Elemente gewännen darin die Ober-
hand. Wenn die Verhandlungen sich zerschlügen, müsse aufgelöst werden.
Die Regierung müsse alle legalen Mittel anwenden, um die Wehrkraft des
Reichs zu erhalten. Von Staatsstreich sei nicht die Rede. Der Kaiser
glaube, daß das Zentrum zu einem großen Teile sicher sei. Das be-
zweifelt er.
Wegen der Stimmen im Bundesrat für Elsaß-Lothringen sagte er,
er wolle sich die Sache überlegen, und ich möchte nur Puttkamer schicken,
um ihm darüber Vortrag zu halten. Jetzt aber nicht, erst wenn die
Reichstagsverhandlungen beendet seien.
Um 1 Uhr war ich zum Dejeuner beim Kaiser. Dieser sprach sehr
teilnehmend über Viktor, erkannte seine Tätigkeit und seine Treue an und
sagte: „Er fehlt uns sehr. Denn überall, wo jemand gebraucht wurde,
um ein allgemeines Interesse zu fördern, da rief man nach dem Herzog
von Ratibor.“ Ich dankte dem Kaiser, auch für seine Reise nach Rauden,
und sagte, wenn ich es rechtzeitig gewußt hätte, daß er kommen würde,
würde ich trotz Husten nach Rauden gefahren sein.
Den 23.
Heute war ich bei dem Minister Eulenburg, der mir seine Ansicht
über die Lage auseinandersetzte. Er hofft noch auf Verständigung mit
dem Reichstag und glaubt, daß das Zentrum sich doch noch teilweise zur
Annahme der Militärvorlage entschließen werde. Fallen lassen könne die
Regierung die Vorlage nicht, schon des Eindrucks wegen, den dies auf
Rußland und Frankreich machen werde.
1) Der Bruder des Fürsten war gestorben am 30. Januar 1893.