Straßburg (I885 bis 1894) 505
Ich verabschiedete mich noch bei dem Kronprinzen von Italien, und
dann fuhren die Herrschaften ab, und ich bestieg wieder meinen Wagen
und fuhr nach Metz zurück.
Straßburg, 14. September 1893.
Gestern früh 9 Uhr 30 fuhr ich infolge erhaltener Einladung nach
Karlsruhe, wo ich um 11¾ ankam und nach dem Schloß fuhr. Andlaw,
der mich am Portal begrüßte, sagte mir, daß der Kaiser noch nicht vom
Manöver zurück sei und daß ich um 1 Uhr mit der Großherzogin früh-
stücken werde. Ich fand da die Erbgroßherzogin, Lucanus, Caprivi,
Philipp Eulenburg und die Damen. Nach dem Frühstück kam Eulenburg
zu mir und erzählte, was es Neues gebe. Er war mit in England ge-
wesen und war Zeuge der damals zwischen dem Kaiser und Caprivi
herrschenden Verstimmung. Eulenburg fürchtete, daß es bei der Rückkehr
zum Bruch kommen werde. Aber das Verhältnis zog sich wieder zurecht.
Indessen arbeitet die Militärpartei mit Hahnke an der Spitze nach wie
vor am Sturze Caprivis und hat den Sturm nur vertagt. Sie wollen
keinen General mehr an der Spitze als Kanzler, sondern wünschen nur
einen ihnen passenden Kriegsminister, mit dem sie ihre Sachen allein
ordnen können. Wer aber dieser Kriegsminister sein werde, ist nicht be-
stimmt. Der Großherzog, der mir diese Situation bestätigte, will von
Bronsart nichts wissen, weil er zu bequem sei, und hält Bluhme für den
richtigen Mann, was Caprivi neulich bestritten hat. Als Kanzler würde
vielleicht Eulenburg, der Ministerpräsident, geeignet sein, meint Philipp
Eulenburg. Seine körperliche Schwäche werde übertrieben (mir wäre er
recht). Der Kaiser weiß noch niemand. Von mir ist glücklicherweise nicht
die Rede. Von Caprivi hörte ich, daß Bismarck einen Anfall von Lungen-
entzündung gehabt habe und noch in Kissingen liege. Man verheimliche
aber seinen Zustand.
Um 5½ Uhr ging ich zum Großherzog, der mir zuerst über die
Intrigen der Militärs gegen Caprivi in ähnlichem Sinne wie Eulenburg
sprach und dem ich von den Folgen sprach, die es für ihn haben würde,
wenn er von der Presse und der öffentlichen Meinung als der hingestellt
würde, der nun wieder einen Kanzlerwechsel veranlaßt habe. Er nahm
das sehr gut auf und sprach anscheinend aufrichtig seine Uebereinstimmung
mit meiner Auffassung aus. Er weiß außerdem niemand, den er an die
Stelle von Capriovi setzen könnte.
Nach Tisch und gegen Ende des Cercles und der Gesangvereins=
produktion kam der Kaiser auf mich zu, sprach nochmals seine große Be-
friedigung über seinen Aufenthalt in Lothringen und Elsaß aus u. s. w.
Dann sprach er von der Krankheit Bismarcks, von dem Rücktritt Bis-