Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 517 
gebieterischen patriotischen Pflicht hatte den Fürsten bestimmt, die schweren 
Bedenken gegen die Annahme des kaiserlichen Rufs zu überwinden. 
Am 31. Oktober zog der Fürst in das Palais des Reichskanzlers ein 
und präsidierte um 2 Uhr einer Sitzung des preußischen Staatsministeriums, 
in welches neben dem neuernannten Minister des Innern von Köller der 
Staatssekretär von Marschall eingetreten war. Am 5. November präsi- 
dierte der Fürst zum erstenmal im Bundesrate. Am 7. verließ er Berlin 
wieder und kam nach einem zweitätigen Aufenthalte in München, wo er 
von dem Prinz-Regenten empfangen wurde, am 10. Abends in Straßburg 
an, wo er bis zum 18. Abends verweilte. Am 12. empfing er dort eine 
Deputation der Universität, welche eine Adresse überreichte, am 16. den 
Gemeinderat von Straßburg, den Bürgermeister von Metz und zahlreiche 
Abordnungen von Behörden, Korporationen und Vereinen. Auf die An- 
rede des Bürgermeisters von Straßburg erwiderte der Fürst: „Ich hatte 
mich an den Gedanken gewöhnt, die Stadt Straßburg als meine zweite 
Heimat zu betrachten. Ich hoffte, in der mir lieb gewordenen Tätigkeit 
und getragen von dem Vertrauen der Bevölkerung hier mein Leben zu 
beschließen oder wenigstens hier so lange bleiben zu können, als meine 
Kräfte ausreichen würden und das Vertrauen des Kaisers mir erhalten 
bliebe. Nun hat das Vertrauen Seiner Majestät mich auf eine andre 
Stelle berufen, und ich mußte dem Rufe Folge leisten. Indem ich 
scheide, danke ich Ihnen aufs herzlichste für das Vertrauen, das Sie mir 
bewiesen haben, und für die Sympathie, die Sie mir während der 
neun Jahre meiner Amtsdauer und besonders in diesen Tagen entgegen- 
gebracht haben. . Möge Gott dies Land und diese Stadt in Seinen 
Schutz nehmen!“ 
Für die glänzenden Demonstrationen bei dem Abschiede dankte der 
Fürst mit den Worten: „Die Beweise freundlicher Gesinnung, welche mir 
von den Bewohnern Straßburgs und einem großen Teil der Bevölkerung 
Elsaß-Lothringens entgegengebracht werden, rühren mich tief. Ich finde 
keine Worte, um meinen Dank, so wie ich es wünschte, zum Ausdruck zu 
bringen. Ich bitte Sie, Ihren Mitbürgern zu sagen, daß mir der Ab- 
schied vom Reichslande sehr, sehr schwer wird. Was ich in diesen Tagen hier 
erlebt habe, ist die größte Auszeichnung, die einem im öffentlichen Leben 
wirkenden Manne zuteil werden kann. Ich bin stolz darauf und werde 
die Erinnerung daran als den schönsten Lohn eines arbeitsreichen Lebens 
bis an mein Ende im Herzen tragen."“ 
Der Fürst fuhr über Baden nach Schillingsfürst und traf am 21. No- 
vember wieder in Berlin ein. Am 24. November ließ er sich die Beamten 
des Auswärtigen Amts vorstellen.
	        
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