Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

46 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
und Sie werden uns das Zeugnis nicht versagen —, als es galt, für deutsche 
Ehre einzutreten, als es galt, die Bundestreue mit dem Blute unfrer 
Söhne und Brüder zu besiegeln, und wir werden nicht zögern, uns Ihnen 
anzuschließen als ehrliche Genossen bei dem bevorstehenden Werke, als 
treue Mitarbeiter an dem Wiederaufbau der deutschen Nation, damit das 
wiedervereinigte Deutschland sich gestalte zu einem Reiche der Macht, der 
Wohlfahrt und der Freiheit. 
Journal. 
Berlin, 24. März 1871. 
Heute 4 Uhr Diner bei Hof, wo der ganze Reichstag geladen war. 
Interessant war die Vorstellung einer Deputation Elsässer Notabeln, die 
ich mit ansah. Man behandelte sie mit großer Liebenswürdigkeit. Roon 
machte mich darauf aufmerksam. Ich sah und sprach Prinz Karl, Prinz 
Friedrich Karl, den Kronprinzen, Bismarck, Moltke, Podbielski, überhaupt 
alle Berühmtheiten der letzten Zeit. Bismarck ist jetzt Fürst geworden 
und wird bedurchlauchtet. 
Nach Tisch allgemeine Gemütlichkeit. Pfretzschner ) ist schon ganz 
zu Hause und gewinnt die Herzen aller Hofdamen durch seine zarten Ma- 
nieren. Auch die Kaiserin sprach mir ihr Wohlgefallen an dem Finanz- 
Adonis aus. Meine glänzende Wahl und Redesukzeß machen Lutz sorgen- 
voll. Der Großherzog von Weimar hält die Reise des Königs von Bayern 
nach Berlin für unumgänglich nötig. Ich habe ihm gesagt, er soll sehen, 
ob er ihn dazu bringt. 
Berlin, 25. März 1871. 
Gestern um 10 Uhr Abteilungssitzung. Ich war zum Referenten einer 
Wahlsache ernannt und beeilte mich, die Akten durchzusehen. Zufällig war 
ich der erste Vortragende. Der Fall war nicht ganz ohne Bedenken, und 
es entspann sich eine kleine Diskussion, doch löste sich alles zur Zufrieden- 
heit und mein Antrag wurde angenommen. Um 12½ war Plenum. Nach 
der Sitzung war die Versammlung der zu einer neuen Fraktion zusammen- 
tretenden Mitglieder unter meinem Vorsitz. Zu meinem Erstaunen waren 
auch Völk und Fischer gekommen. Man einigte sich bald, eine Kommission 
zu ernennen, um ein Programm zu entwerfen. Um 5 Uhr Diner bei 
Viktor. Nach demselben ging ich zu Münster, um ihm zu sagen, daß ich 
es für besser hielte, nicht zur Beratung der freikonservativen Fraktion zu 
gehen, da ich den Herren doch nur zu sagen hätte, daß wir uns konsti- 
  
1) Bayrischer Finanzminister und Bundesratsbevollmächtigter.
	        
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