Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 529 
An den Prinzen Alexander. 
Berlin, 17. Oktober 1896. 
..Es ist eine eigne Sache mit meinen Beziehungen zu Seiner Maje- 
stät. Ich komme hie und da durch seine kleinen Rücksichtslosigkeiten zu 
der Ueberzeugung, daß er mich absichtlich vermeide und daß es „so nicht 
fortgehen könne"“. Dann spreche ich ihn wieder und sehe, daß ich mich 
geirrt habe. Gestern hatte ich Anlaß zu einem kleinen Vortrage, wobei 
mir Seine Mojestät sein Herz ausschüttete .. und bei welcher Gelegen- 
heit er mich in der freundschaftlichsten Weise um Rat fragte. Ich komme 
dann wieder von meinem Mißtrauen ab. 
Am 16. Februar 1897 feierten der Fürst und die Fürstin ihre goldene 
Hochzeit. Bei dem Festmahl sagte der Fürst: 
„Dieses Fest ist ein Dankfest. Wir haben, während die heilige Messe 
zelebriert wurde, Gott unsern Dank dargebracht, daß er uns vergönnt hat, 
heute auf fünfzig Jahre eines glücklichen Ehebunds zurückzublicken. 
Und heute Abend danke ich allen Freunden und Verwandten, allen 
denen, die uns während längerer oder kürzerer Zeit mit ihrer Liebe und 
Freundschaft auf unserm Lebenswege begleitet, sich bei freudigen Ereignissen 
mit uns gefreut und traurige Ereignisse, die ja in keinem Leben fehlen, 
mit uns ertragen haben, ich danke ihnen für ihre treue Gesinnung, wie 
ich denn auch den Beamten und Dienern für ihre treue Hilfe meinen 
Dank sage, mit der sie uns die Last des Lebens tragen halfen. 
Wenn ich nun Umschau halte unter den Verwandten und mir der 
Segen des Familienlebens wieder recht vor Augen tritt, so bin ich ver- 
sucht, mich zu fragen, ob ich wohl den richtigen Lebensweg eingeschlagen 
habe, als ich einen Beruf, eine Tätigkeit wählte, die mich nötigte, einen 
großen Teil der Freuden des Familienlebens der politischen, der amtlichen 
Tätigkeit zum Opfer zu bringen, und ob ich nicht besser getan hätte, mich 
ganz der Familie zu widmen. Und doch scheint es mir, daß die Mitglieder 
meiner Familie es nicht gern missen würden, daß ein Mitglied unsers 
Hauses zu hohen Ehren und Würden gelangt ist. Ich lasse dahingestellt, 
ob es Zufall war oder eignes Verdienst. Und dann noch etwas. Wenn 
ich diese Tätigkeit nicht gewählt hätte, so würde meine liebe Frau nicht 
Gelegenheit gehabt haben, die großen Eigenschaften ihres Charakters zu 
betätigen. Sie hat in diesen dreißig Jahren meiner politischen und amt- 
lichen Tätigkeit treu zu mir gestanden, sie hat in mühsamen und ernsten 
Zeiten mich mit ihrem Mut und ihrem Rat unterstützt, und sie hat, wenn 
die politischen Kämpfe auch in die gesellschaftlichen Kreise eingriffen, die da 
üblichen Nadelstiche mit moralischen Keulenschlägen erwidert und mir so 
den Weg geebnet, auf dem ich mein Ziel verfolgen konnte. 
Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 34
	        
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