Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 531 
An Baron Völderndorff. 
Berlin, 31. Oktober 1897. 
.. Seine Mgjestät hat sich überzeugt, daß ein weiteres Hinaus- 
schieben des Gesetzes für ihn selbst und für die Armee höchst nachteilig 
sein würde .. Im Eirführungsgesetz wird weitere Verhandlung mit 
Bayern 1) vorbehalten. Da nun doch noch mindestens ein Jahr vergehen 
wird, ehe das Gesetz ins Leben treten kann, so haben wir noch Zeit. 
Für die Marinevorlage trete ich ein. Ich werde es in vorsichtiger 
Weise tun, aber ich bin für eine Schlachtflotte. Es geht wirklich nicht 
ohne eine solche 
An denselben. 
7. November 1897. 
... Was die Militärstrafprozeßordnung betrifft, so werden wir, wenn 
es nicht gelingt, den Absatz 2 des § 270 noch zu beseitigen, großen An- 
griffen ausgesetzt sein. Daß ich mein Versprechen, eine den modernen 
Rechtsanschauungen entsprechende Reform einzubringen, gehalten habe, 
kann man trotz aller Angriffe, die gegen das Gesetz kommen werden, nicht 
wegstreiten. Was die Marine anbetrifft,) so sind doch sehr viele Menschen 
der Meinung, daß die Forderungen des neuen Chefs der Marine nicht 
unerschwinglich sind. Was mich aber bestimmt, dafür einzutreten, ist 
folgendes: Man sagt immer, die Marine sei eine Laune des Kaisers. Und doch 
ist nicht zu leugnen, daß das deutsche Volk die Schuld trägt oder, wenn Sie 
wollen, das Verdienst hat, daß wir eine Marine haben. Zur Zeit des Bundes- 
tags hatten wir ein harmloses, friedliches Dasein. Wir hatten keine politischen 
(auswärtigen) Sorgen, wenig Steuern und sahen zu, wie Oesterreich und 
Preußen sich im Bundestag bekämpften, wo dann die Mittelstaaten und 
Kleinstaaten sich bald auf die eine, bald auf die andre Seite schlugen. 
Das genügte aber dem deutschen Volke nicht. Es wollte einheitlich ge- 
staltet werden und eine Rolle in der Welt spielen. Burschenschaft, 
Nationalverein u. s. w. sorgten dafür, diese Gedanken allgemein werden 
zu lassen. Die Bewegung von 1848 war das erste Resultat, dann kam 
die Reaktion der fünfziger Jahre, ohne daß das deutsche Volk seine 
Aspirationen aufsgab. Dann kam 1870, und die Einheit wurde mit Blut 
und Eisen geschaffen, und das Reich erstand unter dem Jubel des deut- 
schen Volks. Nun ergab sich aber bald, daß man kein Geld hatte, um 
das Reich auf den Beinen zu halten. 
  
1) Wegen des Obersten Gerichtshofs. 
2) Baron Völderndorff hatte sich in einem Briefe vom 2. November gegen die 
Vergrößerung der Marine und gegen Kolonien ausgesprochen.
	        
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