532 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901)
Das Tabaksmonopol wurde zurückgewiesen u. s. w. Um nun Geld
für das Reich zu bekommen, änderte Bismarck seine Zollpolitik und gab
den gemäßigten Freihandel auf. Auch hier stand das deutsche Volk auf
seiner Seite. Nun bekamen wir Geld, drei= bis vierhundert Millionen,
und das Reich konnte leben. Die Schutzzollpolitik erzeugte aber einen
kolossalen Aufschwung der Industrie. Wir hörten auf, ein Agrarstaat
zu sein und wurden ein Industriestaat. Damit war man genötigt, auch
die Politik zu ändern und unser Augenmerk darauf zu richten, die Aus-
fuhr zu sichern. Der Handel nahm eine solche Entwicklung, daß von der
Regierung verlangt wurde, ihn zu schützen. Das konnte nur durch eine
Flotte geschehen, nicht durch eine Küstenflotte, sondern durch eine solche,
die unfre Zufuhren freihalten kann. Wir können nicht mit England in
der Flottengröße rivalisieren. Wir müssen aber eine Flotte haben, die
ein feindliches Geschwader, das unfre Häfen blockieren will, zurückzuweisen
imstande ist. Wenn wir das nicht können, wird unser Handel und unfre
Reederei vernichtet. Das ist ein Verlust von Milliarden, wogegen die
fünf= bis sechshundert Millionen für die Flotte nicht in Betracht kommen.
Was die Kolonien betrifft, so glaube ich, daß wir nach und nach lernen
müssen. Schon jetzt sind wir von dem Militärsystem abgekommen und
werden mehr und mehr lernen, es den Engländern nachzumachen und als
Kaufleute die Kolonien zu dirigieren und auszunutzen. Daß der Keiser
durch sein impulsives Wesen beunruhigt, ist nicht zu leugnen. Etwas
mehr Phlegma wäre ihm zu wünschen. Aber es ist eine Ungerechtigkeit,
wenn man ihm vorwirft, daß er die Flotte aus Laune oder zu seinem
Vergnügen schaffen will. Er tut nichts andres, als das ausführen, was
das deutsche Volk seit hundertundfünfzig Jahren angestrebt hat.
Am 21. Dezember 1897 starb die Fürstin Hohenlohe nach kurzer
Krankheit.
An den Prinzen Alexander.
Berlin, 5. Januar 1898.
.Heuote ist der Vertrag mit China in Peking unterzeichnet. 1) Der
Kaiser hat mir anliegendes Telegramm geschickt, das mich tief gerührt hat.
Telegramm des Kaisers.
Obwohl ich weiß, daß eine äußere Freude nicht imstande ist, schweres
inneres Leid zu heben, so bin ich doch von innigster Freude erfüllt, daß
Gottes Gnade nach dem furchtbaren Schlage, der Dich traf, Dir einen so
1) Ueber den Erwerb von Kiautschou.