Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

534 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 
Heute Abend wieder Diner und Spiel. 
Wenn ich so unter den preußischen Exzellenzen sitze, so wird mir der 
Gegensatz zwischen Norddeutschland und Süddeutschland recht klar. Der 
süddeutsche Liberalismus kommt gegen die Junker nicht auf. Sie sind zu 
zahlreich, zu mächtig, und haben das Königtum und die Armee auf ihrer 
Seite. Auch das Zentrum geht mit ihnen. Alles, was ich in diesen vier 
Jahren erlebt habe, erklärt sich aus diesem Gegensatze. Die Deutschen 
haben recht, wenn sie meine Anwesenheit in Berlin als eine Garantie 
der Einheit ansehen. Wie ich von 1866 bis 1870 für die Vereinigung 
von Süd und Nord gewirkt habe, so muß ich hier danach streben, 
Preußen beim Reich zu erhalten. Denn alle diese Herren pfeifen auf das 
Reich und würden es lieber heute als morgen aufgeben. 
An Baron Völderndorff. 
Berlin, 4. Januar 1899. 
.. Ihr Rat, ich sollte das Präsidium des Staatsministeriums auf- 
geben, ist nicht wohl ausführbar. Caprivi hat es getan und ist darüber 
gefallen. Vorläufig bleibe ich bis zu meinem 80. Geburtstag. Dann 
kann ich jeden Augenblick ohne Konflikt mit Seiner Majestät abgehen, und 
daran liegt mir viel. Ruhebedürfnis habe ich eigentlich nicht 
Seinen 80. Geburtstag feierte der Fürst am 31. März 1899 in Baden. 
Da der Tag auf den Karfreitag fiel, so fand das Festmahl erst am Oster- 
sonntage statt. Außer der Familie und einer Anzahl von Freunden nahmen 
der bayrische Gesandte Graf von Lerchenfeld, der Staatssekretär von 
Elsaß-Lothringen von Puttkamer und der Chef der Reichskanzlei von Wil- 
mowski daran teil. Auf die Begrüßungen der Vertreter der Familie, des 
Bundesrats und der Regierung des Reichslands erwiderte der Fürst: 
„Ich gestehe, daß es mich sympathisch berührt hat, als ich zu Anfang 
dieses Jahrs im Kalender bemerkte, daß mein Geburtstag in diesem Jahre 
auf den Karfreitag falle. Es schien mir, daß bei der Karfreitagsstimmung, 
die wie einen Schleier über mein Leben ausbreitet, der Geburtstag am 
besten auf diesen Tag passe. So berechtigt nun diese Stimmung ist, so 
wenig würde es gerechtfertigt sein, sie auch andern aufzudrängen, be- 
sonders nicht jenen, Verwandten und Freunden, die aus der Ferne in 
frohem Sinne herbeigeeilt sind, um mir ihre Freude zu bezeugen, daß sie 
mich noch unter den Lebenden finden. Deshalb haben wir die eigentliche 
frohe Feier, das festliche Mahl, auf den Ostersonntag verlegt, auf den 
Tag, den die Kirche als einen Freudentag feiert. So wollen wir heute 
froh sein, und ich will Gott danken, der mir diese lange Lebenszeit ge- 
schenkt hat . . Herr Graf von Lerchenfeld hat in freundlichen Worten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.