Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 541
An den Prinzen Alexander.
Berlin, 13. Juli 1900.
Es war doch ein guter Gedanke, die Rede noch zu halten.. Seine
Majestät hat mir von Homburg telegraphiert:
Ich erwidere von innigster Seele Deinen freundlichen Glückwunsch.
Denn Du kannst auch stolz sein auf das Ergebnis. Bürgerliches Gesetz-
buch und zwei Flottenvorlagen — zwei so wichtige Maßregeln für die
innere und äußere Entwicklung unsers Vaterlandes sind noch von keinem
Kanzler je gegengezeichnet worden.
Wilhelm, I. R.
An die Prinzessin Amalie.
Werki, 26. August 1900.
.. In wenigen Tagen verlassen wir Werki. Für mich wird es die
letzte Abreise sein. Meine Kinder wollen im Spätherbst zum Ordnen der
Sachen, die wir mitnehmen, wieder herkommen. Wenn ich nicht mit dem
Leben abgeschlossen hätte, würde mir der Abschied sehr leid tun. So
trage ich es, besonders weil es eigentlich nur der Schluß des ganzen Auf-
gebens einer glücklichen Vergangenheit ist. Ich muß dankbar zurückblicken
auf ein glückliches Leben, wie es wenigen Sterblichen zuteil geworden ist.
Journal.
Homburg, 16. Oktober 1900.
Gestern Mittag 1 Uhr 40 Min. fuhr ich von Berlin ab und kam
nach einer unangenehmen Fahrt in dem Salonwagen, der wie eine Jacht
hin und her schwankte, um 11½ Uhr Abends in Homburg an. Hier fand
ich einen Brief von Tschirschky, der mir mitteilte, daß Seine Majestät
mich um 12 Uhr des andern Tags zum Vortrag erwarte.
Ich wollte nun heute Lucanus mein Entlassungsgesuch schicken, bekam
es aber mit der Meldung zurück, daß Lucanus nach Berlin gereist sei und
erst morgen zurückkomme. Nun gab ich es Tschirschky, der es auch richtig
dem Kaiser übergab. Als ich um 12 Uhr zum Kaiser kam, empfing dieser
mich sehr freundlich. Wir erledigten erst die Einberufung des Reichstags,
und dann sagte Seine Majestät: „Ich habe ja einen sehr betrübenden
Brief erhalten.“ Als ich dann die Notwendigkeit des Rücktritts mit
meinem Gesundheitszustand und meinem Alter begründete, stimmte der
Kaiser ganz befriedigt zu, so daß ich sah, daß er mein Entlassungsgesuch
schon erwartet hatte, daß es also die höchste Zeit war, damit loszugehen .
Wir sprachen dann noch über den Nachfolger, und ich war angenehm
überrascht, daß er gleich Bülow nannte, der jedenfalls im Augenblick der
beste ist. Seine Majestät sagte dann, er werde Lucanus telegraphieren, daß