Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

544 Die Reichskanzlerschaft und das Lebensende (1894 bis 1901) 
ich dies beim Frühstück meinem Bruder erzählte, sagte er: „Ja freilich, so 
ist es auch.“ Am 17. Mai mußte ich abreisen. Den Tag vorher war 
Himmelfahrt, ein unvergleichlich schöner Maitag. Da sagte mein Bruder: 
„Wir wollen noch einmal zusammen in die Siegesallee und ein wenig 
gehen.“ Mein Bruder versprach, noch nach Höxter zu kommen und hielt 
auch sein Versprechen. Mittwoch den 19. Juni traf er Nachmittags bei 
uns ein und blieb leider nur bis zum Freitag. Das schönste Sommer= 
wetter hatte Gott für diese Tage geschenkt, und eine Fülle von Rosen 
umgab uns. Wir fuhren nach Corvey. Dort empfing ihn die Tochter 
eines Beamten mit einem Rosenstrauß und einem Gedicht. Wir betraten 
die Räume, wo wir in der Jugend zusammen gewesen waren. Mein Bruder 
schrieb auf einige Familienporträts, über welche Unsicherheit geherrscht hatte, 
die Namen auf. Dann gingen wir in die Gruft, welche meine Mutter 
im Jahre 1841 für meinen Vater herrichten ließ und in welche 1897 auch 
der Sarg meiner Mutter übergeführt war. Die Kapelle über der Gruft 
ist ein Teil der alten Klosterkirche. Mein Bruder hatte die zwei Särge 
hier noch nicht zusammen gesehen. Aus dem Schloß führt ein lieblicher 
Weg im Grünen bis zur Tür der Gruft, man sieht von da auf die wal- 
digen Hügel des Sollings. Es war so feierlich, als mein Bruder auf 
diesem Wege langsam dahinschritt und sagte: „Nun sind es sechzig Jahre, 
daß unser Vater gestorben ist.“ In der Gruft legte mein Bruder zwei 
Kränze von weißen Nelken auf die Särge, und es war ihm recht, daß ich 
die Bibelworte sprach: „Es wird gesäet verweslich und wird auferstehen 
unverweslich" und um eine selige Nachfahrt betete. Auf dem Rückweg 
wurde mein Bruder wieder mit Rosen begrüßt. Ueberall waren Rosen 
um ihn her. Der Besuch der Gruft war Donnerstag den 20. Juni 
Morgens 11 Uhr. Genau drei Wochen danach ward mein Bruder in 
Schillingsfürst beigesetzt.“ 
Fürst Hohenlohe wurde in Paris von einem Unwohlsein befallen, 
welches seine Kräfte sehr mitnahm. Er kam krank nach Colmar, wo er 
einige Tage im Hause seines Sohnes verweilte. Obwohl seine Kräfte sich 
nicht hoben, wünschte er die Reise fortzusetzen, weil er von dem Aufenthalte 
in Ragaz, den er sich vorgenommen hatte, Stärkung hoffte. Am 3. Juli 
kam er in Ragaz an und starb dort am 6. Juli 1901.
	        
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