Im Reichstage (1870 bis 1874) 6
sie sich nicht halten. Die Proklamierung der Monarchie ist nach Hart-
manns Meinung der Bürgerkrieg. Was Elsaß-Lothringen betreffe, so
müsse Bismarck den Einfluß des Klerus auf die Schulen beseitigen; nur
dadurch könne er Elsaß deutsch machen. Die Geistlichkeit werde immer
in französischem Sinne wirken.
11. Juni.
Heute mit Gelzer ein langes Gespräch über verschiedene hiesige
Persönlichkeiten und Dinge. Er hat mit dem Kaiser gesprochen und dort
viel Anklang für die Idee gefunden, daß das Verhältnis zwischen Kirche
und Staat Reichssache werden müsse. Ministerkonferenzen über ein neues
deutsches Konkordat. Bedenken, ob Bismarck dem zustimmen werde.
Einfluß der Jesuiten auf Bismarck (Frage, ob nicht Bismarcks persönliche
ehrgeizige Pläne in betreff des Elsaß der verwundbare Punkt seien, die
Achillesferse, an der die Jesuiten Bismarck gepackt haben könnten). Was
die Kaiserin betrifft, so scheint der Einfluß der Jesuiten auf dieselbe sehr
bedeutend zu sein. Die Partei strengt sich ungeheuer an, um hier Einfluß
zu gewinnen, und scheut Versprechungen und Drohungen nicht.
12. Juni.
Heute Sitzung, dann um 5 Uhr Fraktionsdiner. Ich hatte Franken-
berg eingeladen. Mir lag die Pflicht ob, das Präsidium der Fraktion
leben zu lassen. Ich hielt eine längere Rede, in welcher ich erst Barth
apostrophierte als den Mann, der stets für Freiheit und Recht gekämpft
und stets das nationale Banner hochgehalten habe, ich hob dann seine
Eigenschaften als Präsident hervor und ging dann über auf Bernuth, den
Typus und das Vorbild des preußischen Juristen, und dann richtete ich
an das dritte Mitglied, Roggenbach, das Wort, den Diplomaten im
wahren und guten Sinne des Wortes, der in dem Labyrinth der diplo-
matischen Intrigen nie den Faden verliere, der ihn wieder herausführe,
und der es dadurch möglich gemacht habe, ein ehrlicher, ehrenhafter Mann
zu bleiben und doch ein guter Diplomat zu sein. Die Rede gelang mir
sehr gut und machte den besten Eindruck.
Bernuth antwortete mir in gehobener Stimmung, indem er mir alles
mögliche Lob sagte und hervorhob, daß ich eigentlich gesät hätte, wo die
nationale Partei ernte. Es folgten dann Toaste auf Toaste, bis schließlich
beim Kaffee ein Herr aus Murnau eine poetische Rede hielt, in welcher
er von den „grotesken Bergen“ seiner Heimat sprach.
14. Juni.
Gestern erste Beratung über das Dotationsgesetz. Es wurde be-
schlossen, erst eine Vorberatung in einer geheimen Kommission vorausgehen
zu lassen. Die Kommission wurde gleich nach der Sitzung gewählt. Ich