Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

70 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Wir sprachen von den Ultramontanen, und er zitierte eine Anekdote von 
einem Schulmeister, der einem Jungen, der schon vor der Schule weinte, 
sagte: „Junge, wenn du jetzt schon heulst, wie wirst du erst heulen, wenn 
ich dich haue.“ So machten es die Ultramontanen mit ihm, der ihnen 
ja noch gar nichts zuleid getan hätte. 
4. November. 
Gestern war eines der üblichen Diners, welche Delbrück den Reichs- 
tagsabgeordneten zu geben pflegt. Ich saß zwischen Camphausen und dem 
alten Frankenberg. Gegenüber neben Delbrück Bismarck und Simson. Das 
Diner dauerte sehr lange, wie es bei Gasthofsdiners der Fall zu sein 
pflegt. Nach dem Essen tranken wir Kaffee in den verschiedenen Salons, 
die an den Speisesaal anstoßen, und mich führte der Zufall mit Bismarck 
in einen kleinen Salon, in welchem sich ein Kreis von Zuhörern um ihn 
sammelte. Bismarck wurde nun durch verschiedene Fragen der Anwesenden 
angeregt, uns aus den letzten Jahren zu erzählen. Zuerst sprach er von 
seinem Aufenthalt in Frankfurt, gab u. a. eine sehr komische Schilderung 
von den Mitteln, mit welchen die österreichische Regierung die Bundes- 
tagsgesandten von sich abhängig machte. Ihm selbst hätten sie eine Rente 
von 30000 Talern angeboten. Viele Bundestagsgesandten hätten Söhne 
in der österreichischen Armee gehabt. Habe nun so ein Gesandter oder 
kleinstaatlicher Minister sich den Wünschen der österreichischen Regierung 
entsprechend aufgeführt, so hätte man seine Söhne avanciert, wenn er 
einmal anders gestimmt hätte, so seien diese Söhne sofort in ein entferntes 
Land versetzt worden, wo sie, von Flöhen und Wanzen gepeinigt, Hilferufe 
an ihre Bäter gerichtet hätten. Die Geschichte mit den Zigarren erzählte 
er auch ausführlich. Thun habe in den Ausschußsitzungen immer allein 
geraucht. Das sei ihm aufgefallen, und eines Tags hätte er Thun um 
eine Zigarre gebeten und von nun an auch mitgeraucht. Das sei so Jahr 
und Tag gegangen. Darauf hätte plötzlich auch Schrenck, dem es um das 
Rauchen nicht zu tun gewesen sei, ein Zigarrenetui mitgebracht und feier- 
lich eine Zigarre angezündet. Nach einiger Zeit sei dann auch ein andrer 
Gesandter gekommen, habe eine ganz gelbe leichte Zigarre angezündet, 
während er vorher nie geraucht hatte, und habe sie dann bald wieder 
unter den Tisch fallen lassen, und schließlich hätte jeder Gesandte wenigstens 
durch einmaliges Rauchen Besitz von dem Recht ergriffen. Später kam 
Bismarck auf Benedetti zu sprechen. Er sagte, er habe noch ganze Kisten 
mit Aktenstücken, die er noch gar nicht alle durchgelesen hätte, in welchen 
sich die merkwürdigsten Dinge fänden. Es sind die Kisten, die im Land- 
haus von Rouher gefunden wurden. Darin fänden sich sehr kompromit- 
tierende Korrespondenzen. Ueber sein Verhalten gegenüber von Benedetti 
erzählte er folgendes: Schon im Sommer 1866 hätte Benedetti angeklopft
	        
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