Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 71 
wegen einer Kompensation. Er habe sich zwar nie getraut, Abtretungen 
in Deutschland zu verlangen, aber von Belgien gesprochen. Dann hätte 
die Sache geruht bis Anfang 67. Bismarck sagte: „Ich hätte ja Benedetti 
gleich die Treppe hinunterwerfen können, die Folge wäre aber der Krieg 
gewesen, und den wollte ich vermeiden, da ich immer hoffte, er könne ganz 
vermieden werden. Zudem wären wir mit jedem Jahr stärker geworden. 
So ließ ich ihn sprechen und glauben, ich sei der schlechte Kerl, der sein 
Land zu verraten fähig sei. Als er es nicht mehr glaubte, brach sofort 
der Krieg aus.“ Als Grammont zum Minister ernannt wurde, sagte 
Bismarck zu Benedetti, das deute darauf hin, daß der Kaiser auf irgend 
etwas Schlechtes sinne, sonst würde er keinen so dummen Menschen zum 
Minister gemacht haben. Benedetti behauptete, der Kaiser kenne Grammont 
zu wenig, worauf ihm Bismarck bemerkte, daß der Kaiser Napoleon ihm 
gegenüber Grammont „un ancien bellätre“ genannt habe. 
So wurde forterzählt bis 10 Uhr. 
Vom alten Frankenberg habe ich auch gehört, daß Bismarck anfangs 
des Sommers an seinen Rücktritt gedacht habe. Er war damals sehr 
verstimmt und wurde es noch mehr durch eine Differenz mit Stillfried, 
der ihm keinen wirklichen Fürstenhut auf sein Wappen setzen wollte. Das 
ist dann durch Frankenberg beigelegt worden. 
Bismarck erzählte auch, er habe schon im Jahre 1852 einmal in Wien 
gesagt, er möchte in zehn Jahren Minister werden, dann zehn Jahre 
Minister bleiben und dann noch weitere zehn Jahre sich ausruhen und 
über das Erlebte nachdenken. Dies sei eingetroffen, denn 1862 sei er 
Minister geworden, und nächstes Jahr wäre die Zeit gekommen, wo er auf- 
hören könne. Darauf allgemeine Protestation der Anwesenden. 
An den Grafen Hegnenberg. 
Berlin, 30. Oktober 1871.1) 
Eurer Exzellenz geehrtes Schreiben vom 24. d. M. enthält einen drei- 
fachen Auftrag, erstens die Stimmung des Reichstags über den in der 
mitgeteilten Novelle enthaltenen Gegenstand zu erforschen, dann die Ansicht 
  
1) Graf Hegnenberg hatte dem Fürsten durch Schreiben vom 24. Oktober 1871 
den Entwurf einer Novelle zum Strafgesetzbuch (Kanzelparagraph) mitgeteilt, welcher 
veranlaßt war durch die „maßlose Agitation, welche die Regierung von seiten des 
Klerus, und zwar vor allem durch die Kanzelvorträge desselben, zu beklagen hatte"“ 
Er bat den Fürsten, festzustellen, ob dieser Entwurf auf eine Mehrheit im Reichs- 
tage und im Bundesrat rechnen könne, da die bayrische Regierung „viel lieber auf 
den ganzen Entwurf verzichten als ihn der Möglichkeit des Scheiterns aussetzen 
wollte“. Graf Hegnenberg wünschte, daß der Antrag durch eine dem politischen 
Standpunkte des Fürsten nahestehende Persönlichkeit eingebracht würde.
	        
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