Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

72 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
des Bundesrats zu sondieren, und endlich eine meinem politischen Stand- 
punkte nahestehende Persönlichkeit im Bundesrat in Vorschlag zu bringen, 
welche mit der Einbringung des Antrags beauftragt werden könnte. Was 
den Reichstag betrifft, so glaube ich nicht irre zu gehen, wenn ich dessen 
Zustimmung voraussetze. Schwieriger war es für mich, die beiden andern 
Aufträge auszuführen, da ich mit den Persönlichkeiten des Bundesrats 
wenig bekannt bin. Ich entschloß mich also kurz und trug dem Fürsten 
Bismarck die Sache vor, da ich annahm, daß seine Ansicht stets die 
maßgebende im Bundesrat ist, um so mehr, wenn er sich mit der bayrischen 
Regierung im Einklang befindet. Fürst Bismarck nahm die Sache sehr 
entgegenkommend auf und bemerkte, es werde der Haltung der Ultra- 
montanen gegenüber mehr und mehr nötig, ernste Stellung zu nehmen 
und das Verhältnis zwischen Staat und Kirche schärfer abzugrenzen. Der 
fragliche Antrag schiene ihm ganz passend und werde von seiner Seite 
unterstützt werden. Im Tenor des Artikels hat der Fürst nur das aus- 
zusetzen, daß Geldstrafen gedroht werden, die sich für solche Vergehen 
nicht eigneten. Uebrigens nahm er den Entwurf zu sich, um die Motive 
näher zu prüfen. Was die Behandlung der Sache betrifft, so meinte 
Fürst Bismarck, es sei nicht tunlich, den Antrag durch ein andres Mit- 
glied des Bundesrats als den bayrischen Bevollmächtigten einbringen zu 
lassen. Wolle man dies nicht, so bliebe noch ein andrer Weg, nämlich 
der, den Antrag durch einen der bayrischen Reichstagsabgeordneten in Vor- 
schlag bringen zu lassen. Dazu würde sich wohl jemand finden. Jeden- 
falls werde der Antrag, von wem immer ausgehend, im Bundesrat günstig 
aufgenommen werden. „Alle werden damit einverstanden sein,“ sagte der 
Fürst, „vielleicht mit Ausnahme des Herrn von Perglas.“ Als Fürst 
Bismarck im Laufe des Gesprächs erwähnte, auch das Reichskanzleramt 
beabsichtige im nächsten Frühjahr Abänderungen im Strafgesetzbuch in 
Vorschlag zu bringen, fragte ich ihn, ob er meine, daß man auch diese 
Sache bis zum Frühjahr vertagen solle. Dies verneinte er aber. 
Nach dieser Unterredung wandte ich mich an die alte parlamentarische 
Autorität Dr. Barth. Dieser erklärte mir, wenn es verlangt werde, würde 
sich schon eine Anzahl Unterzeichner des Antrags finden, „vorausgesetzt, 
daß man sicher sei, im Bundesrate nicht auf Widerspruch zu stoßen“. 
Hiernach stelle ich nun Eurer Exzellenz anheim, mich entweder mit dem 
weiteren Auftrage zu beehren, einige Unterzeichner für den fraglichen An- 
trag im Reichstage ausfindig zu machen oder dem Rate des Fürsten 
Bismarck zu folgen und die Sache direkt in Vorlage bringen zu lassen. 
Widerspruch werden Sie weder auf dem einen noch dem andern Wege 
bei Fürst Bismarck oder im Bundesrate finden. 
Ich muß schließlich noch eine Bemerkung des Fürsten Bismarck
	        
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