Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

80 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
die Zurückweisung des Kardinals, welchen die Reichsregierung zum Ge- 
sandten in Rom ernennen wollte, besprochen. Der Abgeordnete Windthorst 
hatte dabei den Kardinal angegriffen und ihm namentlich vorgeworfen, 
daß er am 22. September 1870, zwei Tage nach der Einnahme Roms 
durch die Italiener, nach Deutschland gereist sei und auch zurzeit noch 
ohne Auftrag des Papstes in Deutschland verweile. 
Fürst Hohenlohe erwiderte darauf: 
Der Herr Abgeordnete Windthorst hat sein Bedauern darüber aus- 
gesprochen, daß hier Fragen angeregt worden seien, ohne daß der Ver- 
sammlung die Gelegenheit gegeben sei, sich aus Aktenstücken zu informieren. 
Wenn ich in dieser Beziehung mit dem Herrn Abgeordneten Windthorst 
einverstanden sein kann, so kann ich doch die Bemerkung nicht unterdrücken, 
daß dieses Bedauern den Herrn Abgeordneten Windthorst nicht abgehalten 
hat, ohne Kenntnis der Aktenstücke, die hier in Betracht kommen, Kritik 
über einen Kirchenfürsten in einer Weise zu üben, die ich in Ermanglung 
eines parlamentarischen Ausdrucks nicht näher bezeichnen kann. Der Herr 
Abgeordnete Windthorst hat hervorgehoben, daß der Kardinal aus Rom 
zu einer Zeit abgereist sei, als der Heilige Vater bedroht war. Nun muß 
ich konstatieren, daß der Kardinal während der Belagerung Roms in Rom 
selbst war und erst nach der Einnahme von Rom abogereist ist. Der Herr 
Abgeordnete Windthorst hat ferner das Verbleiben des Kardinals in 
Deutschland einer Kritik unterworfen. Ich glaube ihn dazu nicht berech- 
tigt und kann darauf nur antworten, daß ohne Zweifel dem Kardinal in 
Rom nicht diejenige Wirksamkeit im gegenwärtigen Augenblick zu 
Gebote gestanden hat, die seinen Fähigkeiten und seinen Wünschen 
entspricht. 
In einer persönlichen Bemerkung gegen den Abgeordneten Reichen- 
sperger (Krefeld) bemerkte der Fürst, daß der Kardinal mit voller Zustim- 
mung des Heiligen Vaters von Rom weggegangen und weggeblieben sei. 
Berlin, 16. Mai 1872. 
Gestern Beginn der Jesuitendebatte. Da die Fraktion mich dazu auf- 
gefordert hatte, für sie zu sprechen, so tat ich es und meldete mich bei 
Simson. Ich hatte dazu um so mehr Veranlassung, als ich, dem Wunsche 
Kiefers entsprechend, mich bei dem Antrag Lamey-Kiefer als Antragsteller 
mitunterzeichnet hatte.1) Der Zudrang zu den Zuschauerräumen war ganz 
  
1) Der Antrag ging dahin, die Regierungen zu veranlassen, „baldmöglichst 
einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen den Mitgliedern der Gesellschaft 
Jesu und den ihr verwandten Kongregationen die Errichtung von Niederlassungen 
sowie die Ausübung geistlicher Funktionen und der Lehrtätigkeit unter Androhung 
von Strafe verboten wird“. 
 
	        
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