Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

82 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Herren, ich gehe noch weiter, ich behaupte, kein Mensch kann die Pflichten 
erfüllen und insbesondere die Demütigungen ertragen, die der Orden 
seinen Mitgliedern auflegt, wenn er nicht im Innersten der Seele durch- 
drungen ist von der Ueberzeugung, daß er arbeitet zur wahren Ehre 
Gottes — ad majorem Dei gloriam — im eigentlichen Sinne des Worts, 
und zum Heile der Menschen, wenn er nicht überzeugt ist, daß die großen 
Gegensätze, welche unfre Zeit bewegen, nur auf dem Wege gelöst werden 
können, den der Jesuitenorden als den richtigen bezeichnet, wenn er nicht 
überzeugt ist mit Dr. Jörg, dessen Worte ich zitieren will, 
daß der Syllabus Pius' IX. das wahrhaft bewundernswerte 
Meisterwerk staatsmännischer Weisheit in sich schließt und den 
Grundriß liefert zum Neubau christlicher Staaten. 
Allein, meine Herren, wenn ich auch den einzelnen Jesuiten alle Ge- 
rechtigkeit widerfahren lasse, wenn ich sogar dem Herrn Abgeordneten 
Dr. Moufang zugebe, daß es deutschgesinnte und patriotische Jesuiten gibt, 
so kann ich doch nicht weniger behaupten, daß das Urteil richtig bleibt, 
welches Herr von Radowitz in der Paulskirche zu Frankfurt über den 
Jesuitenorden gefällt hat. Herr von Radowitz sagte damals: 
„Der Nutzen, welchen man sich aus dem Jesuitenorden für 
die katholische Kirche in Deutschland versprechen könnte, würde in 
gar keinem Verhältnisse zu den tiefen Störungen und Gefahren 
stehen, welche seine Gegenwart hervorrufen muß.“ 
Herr von Radowitz, der damals im Parlamente die anwesenden 
Katholiken vertrat und dessen Urteil uns jedenfalls näher liegt als das 
von dem Herrn Abgeordneten Moufang zitierte Urteil Friedrichs des 
Großen, hat richtig vorausgesehen. Die tiefen Störungen sind eingetreten, 
und wir stehen vor Gefahren, deren Bedeutung in dem Kommissions- 
berichte und in den Petitionen gegen die Jesuiten ausreichend geschil- 
dert ist. 
Meine Herren, was mich bei der ganzen jesuitischen und antijesuiti- 
schen Bewegung unfrer Tage in Erstaunen setzt, das ist, daß die Jesuiten 
und ihre Freunde sich darüber wundern, daß der moderne Staat sie per- 
horresziert, und doch hat sich der Orden die Bekämpfung des modernen 
Staats zur Aufgabe gestellt, und seine Mitglieder verkünden es mit der 
rückhaltlosesten Offenheit: der Zweck des Ordens ist, die Einheit der kirch- 
lichen Lehre und des kirchlichen Lebens im festen Anschluß an den Mittel- 
punkt der Kirche zu wahren. Darin läge an sich keine Gefahr, allein die 
Auslegung, welche diese ursprüngliche Bestimmung des Stifters gefunden 
hat, enthält eine entschiedene Kriegserklärung des Jesuitenordens gegen die 
Grundlagen unsers staatlichen Lebens. Ich will mich nicht auf die Frage 
einlassen, ob die Enzyklika vom 8. Dezember 1864 und der damit ver-
	        
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