Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 91 
lische Kirche in Preußen einnahm, nun eine schlechtere wird, wer trägt 
die Schuld? Doch niemand als diejenigen, die den Papst seit Jahren 
zu den abenteuerlichsten Erklärungen gegen den Staat, gegen die Zivili- 
sation, gegen die Gleichberechtigung der Konfessionen u. s. w. in neuester 
Zeit gegen das Deutsche Reich veranlaßt haben. Unter „diejenigen“ ver- 
stehe ich aber die Jesuiten, die den Papst beherrschen, jene Doktrinäre der 
katholischen Kirche, welche aus theokratischen Liebhabereien das unterste zu 
oberst kehren. Da muß denn doch schließlich auch die schafmäßigste Geduld 
reißen. Wenn wir Liberalen aber bei dem Jesuitengesetz nicht stehen 
bleiben wollen, so heißt das nicht, daß wir damit die katholische Kirche 
bekämpfen wollen, wir wollen nur Frieden haben. Wenn die Geistlich- 
keit unter der Aufsicht des Staats erzogen werden soll, so heißt das 
nicht, daß Altkatholiken und Juden die Geistlichen erziehen sollen, aber 
der Staat hat ein Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, daß nicht in 
den Seminarien Feinde aller staatlichen Ordnung und Werkzeuge der 
Jesuiten dressiert werden. Und was die Bischöfe betrifft, so können sie 
sich am allerwenigsten beklagen, nachdem sie sich den Jesuiten blind unter- 
worfen haben, wenn der Staat sie mit diesen auf die gleiche Stufe stellt, 
wenn auch nicht in gleicher Weise behandelt. 
Es wundert mich, daß einem Historiker die Analogie entgangen ist, 
welche zwischen den heutigen Kämpfen mit der römischen Kurie und den 
Kämpfen des Mittelalters doch offenbar besteht. Was mich betrifft, so stehe 
ich auf der Seite der Waiblingen und will da stehen bis zu meinem Ende. 
Aus einem Briefe an denselben. 
Aussee, 8. September 1872. 
. Ich verwahre mich dagegen, daß ich die Verurteilung des 
Jesuitenordens nicht durch Tatsachen, sondern durch die Presse und öffent- 
liche Meinung begründet hätte. Das Urteil der öffentlichen Meinung 
kann keine Verurteilung begründen, wenngleich ein allgemeines Ver- 
dammungsurteil der öffentlichen Meinung dem Politiker Anlaß gibt, die 
Frage, um die es sich dabei handelt, zu prüfen. Die Presse habe ich in 
dem Streit nur insofern für mich zitiert, als sie der Ausdruck der Meinung 
und der Absichten der Jesuiten ist. Was jemand sagt, davon darf ich 
annehmen, daß es seine Meinung ist und daß er danach seine Pläne 
macht. Wenn aber Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, von welchen es 
notorisch ist, daß sie von Jesuiten redigiert und inspiriert sind, gewisse 
Grundsätze aussprechen, so ist damit die Tendenz des Ordens kundgegeben. 
Denn das kann ich nie anerkennen, daß ein Jesuit unabhängig von seinen 
Oberen etwas tue. Dazu ist die Disziplin des Ordens zu stramm. Ich 
unterscheide selbstverständlich zwischen strafbaren Handlungen einzelner
	        
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