Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

8 Ablehnung der Geschworenen. 
(allerdings mußte das schon vor dem Tag der Schwurgerichtsverhandlung geschehen) 
20 Geschworene ohne Angabe von Gründen verwerfen, wollte er noch mehrere ver- 
werfen, so mußte er Gründe angeben, über welche der Gerichtshof entschied. Noch vor 
der Zustellung der (ursprünglich 200 Namen umfassenden) Liste an den Angeklagten 
konnte der Ankläger 20 Namen streichen. — Der Code d'Instruction criminelle 
hat nun das System durchgreifend geändert und die Verwerfung aus Gründen ganz 
beseitigt. Letzteres ist allerdings nur zum Theil richtig, soweit es sich nämlich 
nicht um gesetzliche Ausschließungsgründe handelt. Da die Gesetze ausdrücklich die 
Nullität der Hauptverhandlung daran knüpfen, wenn als Geschworener Jemand 
fungirt, dem gewisse positive Eigenschaften fehlen (Nationalität, Alter) oder dem 
Gründe der Inkapazität oder der Inkompatibilität entgegenstehen, so kann es wol 
unmöglich verwehrt sein, diese Thatsachen zur Kenntniß des Gerichtes zu bringen, 
zunächst den Geschworenen selbst nicht (Hélie, § 603 III. p. 416); ja es scheinen 
selbst Fälle vorgekommen zu sein, wo auch noch nach der Beendigung der Aus- 
loofung sogar eigentliche Ablehnungs-(nicht blos Ausschließungs-) Gründe, welche 
neu entdeckt wurden, die Wirkung hatten, daß an die Stelle des betreffenden Ge- 
schworenen ein Ersatzgeschworener trat, ja selbst daß die Verhandlung abgebrochen 
wurde (Hélie 1. c. 414. 415): allein eine ausdrückliche Vorkehrung für die 
Geltendmachung der Ausschließungsgründe ist nicht getroffen und die Geltend- 
machung von Umständen, welche Mißtrauen gegen die Unbefangenheit des Ge- 
schworenen zu erregen geeignet sind, ist mit Bedacht ausgeschlossen worden; die 
Parteien sollten den Ersatz für dieses Recht eben in einer Anzahl ihnen eingeräumter 
peremtorischer A., bei denen es der Angabe von Gründen nicht bedarf, ja dieselbe 
sogar untersagt ist, finden. Das im Code d’Instr. eingeführte System ist im 
Wesentlichen in die deutschen Schwurgerichtsgesetze und nach Oesterreich und Italien 
übergegangen; doch ist im Detail, welches speziell sowol in Oesterreich bei der 
Berathung der Straf# O. von 1873 (namentlich im Herrenhause) als in Italien, 
wo im J. 1874 ein neues Gesetz über die Jury zu Stande kam, einer eingehenden 
Sichtung unterworfen wurde, sowie in der neuesten Gesetzgebung des Deutschen 
Reiches Mannigfaches verbessert, und dabei eine wesentliche Annäherung herbei- 
geführt worden. Was den Zeitpunkt betrifft, so ist durchaus die A. mit der 
am Tage der Hauptverhandlung stattfindenden Bildung der Geschworenenbank durch 
Ausloofung (s. d. Art. Geschworene) in Verbindung gebracht. In Frankreich 
geht dieses Geschäft in nicht öffentlicher Sitzung in Gegenwart der Betheiligten vor 
sich, und daran hat man in Oesterreich schon 1850, gegenüber der in einigen 
deutschen Schwurgerichtsgesetzen eingetretenen Abweichung, festgehalten, und ebenso in 
der Straf P O. v. 1873, da man (Würth, S. 511) den auch von Hélie als für das 
Französische R. maßgebend angesehenen Grund der Schonung der der Rekusation aus- 
gesetzten Bürger für durchschlagend erachtete. Die deutsche R. Gesetzgebung folgt 
dagegen der entgegengesetzten, in der belgischen Praxis und in der Mehrzahl der 
deutschen Schwurgerichtsgesetze hervorgetretenen Richtung und behandelt den Vor- 
gang als einen Theil der öffentlichen Hauptverhandlung. Ganz eigenthümlich ist die 
Bestimmung des neuesten italienischen Gesetzes. Während in Frankreich es als 
ein wesentliches Erforderniß erkannt wurde, daß bei der A. der Angeklagte die Ge- 
schworenen vor Augen habe, weil ihm Personen bekannt sein können, deren Identität 
ihm der Name nicht verrieth, weil er sich auch von dem unmittelbaren Eindruck 
der persönlichen Erscheinung muß leiten lassen können, ist man in Italien zu 
dem ganz entgegengesetzten Vorgang gekommen. Nach Art. 36 u. 39 des Ges. v. 
§. Juni 1874 und Art. 23 der Ausführungs-Verordn. v. 1. Sept. 1874 versammeln 
sich die Geschworenen vor der Sitzung in ihrem Berathungszimmer und erscheinen 
dann zum Zweck der Konstatirung ihrer Vollzähligkeit (durch Namensaufruf) in der 
öffentlichen Sitzung, in welcher der Angeklagte allerdings anwesend sein sollte (die 
Sache ist nicht ganz klar, s. Mel, S. 313) und werden dann wieder in ihr 
 
	        
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