Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

202 Auslieferungsverträge. 
denjenigen Staaten eo ipso der Fall ist, in welchen nicht Verträge für den Frem- 
den einen anderen Gerichtsstand begründen. 
Auslieferung eigener Unterthanen verweigert weder die Gesetzgebung 
Englands, noch die der Vereinigten Staaten von Nordamerika; ja dieselbe ver- 
sagten sich selbst die Deutschen Bundesstaaten (Bundesbeschluß vom 26. Januar 
1845. A. I. 1.), sie gewährt aber für seine Bundesstaaten das Deutsche Reich 
(Gesetz für Rechtshülfe, § 23), versagt sie aber ausdrücklich gegenüber fremden 
Staaten (s. die einleitenden Bestimmungen des Straf GB., § 9). Nach den Ver- 
trägen Rußlands mit Bayern und Hessen (Art. 2) werden unter der Benennung 
Unterthanen auch diejenigen Ausländer einbegriffen, welche nach den Gesetzen des 
requirirten Landes den Unterthanen gleichgestellt sind sowie auch Ausländer, die 
sich im Lande niedergelassen und mit einer Eingeborenen, von der sie ein oder 
mehrere in dem Lande geborene Kinder haben, verheirathet sind oder waren. Nach 
dem Vertrage Rußlands mit Dänemark werden in allgemeiner Weise Ausländer 
einbegriffen, welche sich im Lande niedergelassen oder ihren Wohnort haben. Nach 
dem Vertrage Englands mit Italien (1873) wird die Naturalisation als ein 
gültiger Grund zur Verweigerung der Auslieferung nur dann angesehen, wenn seit 
der Konzession zu jener 5 Jahre verflossen und der Uebelthäter seit jener Zeit seinen 
Wohnsitz in dem requirirten Lande genommen. 
Die strafbare That des Auszuliefernden muß der Gerichtsbarkeit des requiriren- 
den Staates unterliegen. Ist der auszuliefernde Fremde Unterthan des requiriren- 
den Staates, so ist er nach dem Territorialitäts= und Personalitätsprinzip an den 
Heimathsstaat auszuliefern; ist er Unterthan eines dritten Staates, so kann er ent- 
weder dem Staate der Begehung oder der Heimath ausgeliefert werden. Die Ver- 
träge bestimmen entweder, daß der Heimathsstaat befragt werde (Frankreich mit den 
beiden Mecklenburg Art. 7, mit Oldenburg Art. 7, Schweden mit Portugal 
Art. 8), wobei der requirirte Staat trotzdem die Wahl hat, dem Staate 
der Begehung oder dem Heimathsstaat auszuliefern (Frankreich mit Sachsen 
Art. 7, Schweden mit Italien Art. 7, mit Oesterreich Art. 6, mit Frankreich 
Art. 6), oder daß zur Auslieferung die Zustimmung des Heimathsstaates erforder- 
lich ist (Frankreich mit Luxemburg, declarat., mit Baden Art. 3). — Wenn aber 
ein und dieselbe Person von zweien oder mehreren Staaten wegen verschiedener 
Verbrechen oder Vergehen reklamirt wird, so gilt nach dem Vertrage Englands mit 
Italien die Priorität der Forderung, nach dem Vertrage Rußlands mit Belgien 
entweder die Schwere des Verbrechens oder die größere Leichtigkeit zur weiteren 
Uebergabe der reklamirten Person behufs des wider sie einzuleitenden ferneren Ver- 
fahrens; nach dem Vertrage Rußlands mit Italien (Art. 7) zunächst auch die 
Schwere des Verbrechens, bei gleich schweren aber die Priorität der Requisition 
oder es wird der Heimathsstaat bevorzugt. Im Vertrage Schwedens mit Italien 
(Art. 7) finden sich nur die beiden ersteren Bestimmungen. Nach dem Vertrage 
Rußlands mit Bayern (Art. 5) entscheidet zwar die Priorität der Requisition, indeß 
wird trotzdem der Heimathsstaat bevorzugt. 
Verschiedene Verträge (Englisch-französischer, Art. 1, Englisch-nordamerikanischer, 
Art. 10, Nordamerikanisch-französischer, Art. 1, Preußisch-russische Konvention) 
bedingen, daß nur für Verbrechen, welche in beiden Staaten als solche gelten, aus- 
geliefert werde. Allgemeiner wird aber die Auslieferung nicht gewährt: 1) wenn 
die Auslieferung einer Person wegen einer strafbaren Handlung verlangt wird, 
wegen deren sie bereits in Untersuchung gewesen und außer Verfolgung gesetzt 
worden, oder sich noch in Untersuchung befindet oder bereits bestraft worden ist; 
2) wenn seit der begangenen strafbaren Handlung oder der Einleitung der straf- 
gerichtlichen Verfolgung oder der erfolgten Verurtheilung nach den Gesetzen des er- 
suchten Staates Verjährung der strafgerichtlichen Verfolgung oder der erkannten 
Strafe eingetreten ist (Belgisch-französischer, Belgisch-pkeußischer, Franzöfisch-hol- 
ländischer, Franzzösisch-spanischer, Rusfisch-belgischer, Russisch-italienischer, Russisch-
	        
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