Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

398 Erster Theil. Achter Titel. 
g. 7. Von welchem Tage ab und bis zu welchem Tage hin, bloß der niedrigere Sommerwas- 
serstand gehalten werden darf, bestimmen zunächst Verträge und rechtliche Erkenntnisse, wenn diese 
vorhanden sind, nächst diesen die Provinzialgesetze. Ist keine solche Bestimmung vorhanden, so liegt 
den Kommissarien ob, von wann ab und bis wohin nur der Sommerwasserstand gehalten werden dürse, 
nach den örtlichen Verhältnissen festzusetzen. Auf jeden Fall muß in dem über die Verhandlung auf- 
zunehmenden Protokolle ausdrücklich vermerkt sein, von wann ab und bis wohin der Sommerwasser- 
stand gehalten werden soll. 
g. 8. Kein esitzer von Mühlen oder andern Stauungsanlagen darf den Wasserstand tüber die 
durch den Merkpfahl sestgesetzte Höhe aufstauen #7 8). Sobald das Wasser über diese Höhe wächst, muß 
er durch Oeffnung der Schleusen, Gerinne und Gruinstöcke, Abnehmung der beweglichen Aufsätze 
auf den Fachbäumen oder Ueberfällen, Üüberhaupt Wegräummse aller bloß zeitlichen Hindernisse den Ab- 
fluß desselben unentgeltlich sogleich und unausgesetzt so lange befördern, bis das Wasser wieder auf 
die, durch den Merkpfahl bestimmte Höhe herabgefallen ist. 
8. 9. Bersäumt er dies, so ist nicht allein die örtliche Polizeibehörde verpflichtet, auf Antrag 
der Interessenten die vorerwähnte Oeffnung, Abnehmung und Wegräumung auf Gefahr und Kosten 
des Mühlenbesitzers ohne Anstand vornehmen zu lassen, sondern er #7 ) hat auch in jedem Falle, außer 
dem Ersatze alles durch die widerrechtliche Stauung verursachten Schadens, zwanzig bis fünfzig Tha- 
ler Polizeistrase verwirkt #7?). 
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überhaupt für die Bestimmungen wegen der Vorfluth, also z. B. auch bei Streitigkeiten über die Räu- 
mungekosten (S. 10), Auwendung fünen. R. vom 28. Juni 1833 (Jahrb. Bd. XIII. S. 83 und 
J. M. Bl. 1840, S. 129). 
(5. A.) Die Provinzial-Polizeibehörde ist berechtigt, den Wasserstand einer Mühle in streitigen 
Källen interimistisch festzusetzen. Wenn aber die Polizeibehörde einem Müller, welcher behauptet, daß 
der Wasserstau bei seiner Mühle durch rechtsverjährten Besitz bestimmt sei, außer dem Falle eines Rechts- 
streites, kurzweg einen niedrigeren Wasserstand vorschreibt, so liegt der Fall einer Entschädigung des 
Müllers, auf Grund des §. 4 des G. vom 11. Mai 1842, vor und es ist sowohl über die Anerken- 
nung dieses Rechtes seitens des Fiskus, als auch über die Entschädigungefrage von den Gerichten zu 
emscheiden. Erk. des Komp.-Gerichtsh. vom 10. Oklober 1863 (J. M. Bl. 1864, S. 24). 
67 n) (3. A.) Wenn die Höhe des Wasserstaues einer Mühle durch polizeiliche Anordnungen der 
Regierung bestimmt ist, so kann der betheiligte Mühlenbesitzer, welcher sich dadurch in seinem Rechte 
verletzt glaubt, zwar die Anerkennung des Reches zu cinem anderen Wasserstaue (zum Zwecke der Ent- 
schädigung), nicht aber die Gewährung dieses Rechs im Wege des Prozesses verlangen. Erk. des Ge- 
richtsh. is Lamperenzlonfl vom 8. Märg 1856 (J.M. Bl. S. 119), ulnd vom 1. Okt. 1859 (J.M.Bl. 
1860, S. 258). 
67 26) (3. A.) Wer unter dem Besitzer der Mühle hier, in polizeistrafrechtlicher Hinsicht, zu ver- 
stehen, ob der vollständige oder unvollständige Besitzer (der Geschäfteherr), oder der Juhaber, also na- 
mentlich der Müldienwerffforer, wenn er selbstständig die Mühlenarbeiten leitet, ist verschieden beurtheilt 
und keinesweges zweisellos. Ein Polizeirichter hatte unter dem Besitzer den Civilbesitzer derstau- 
den, und in einem Falle, wo der selbstständige Geschäftsführer das Wasser um viele Fuß über den 
Merkpfahl ohne Austrag des Prinzipals gestaut hatte, den augeklagten Werkführer für straflos erklärt. 
Diese Auffassung war dem Appellationsgerichte zu Ratibor nicht einleuchtend; der Ausspruch des Poli- 
zeirichters wurde von demselben, unter -- der im §. 9 dem Mühlenbesitzer angedrohteu Strafe 
gegen den Werkführer, ausgehoben. Ein weiterer Schritt geschah in dieser Sache nicht. In einer 
Münster scheu Sache aber, wo umgekehrt der polizeilich angeklagte Mühlenbesitzer, der einen Müller- 
knecht zur Beaufsichtigung der Mühle angestellt hatte, aus diesem Grunde sowohl von dem Polizeirichter 
als auf den eingelegten Rekure auch von dem Appellationegerichte für straflos erkannt worden war, hat 
das Obertr. auf die mit Genehmigung des J. M. (G. vom 3. Mai 1852, Art. 129) eingelegte Nichtig- 
keitsbeschwerde, unter Vernichmug dieses Erkennmisses, den Satz ausgeführt: „Die in dem Vorfluths= 
edilte v. 15. Nov. 1811, 658. 8 u. 9 angedrohte Strafe trifft den Mühlenbesiver auch dann, wenn er 
den geschäftlichen Betrieb der Mühle durch Dienstleute bewirken läßt.“ Erk. vom 19. April 1855 
(I. M. Bl. S. 243). (5. A.) Das Strafverbot trifft nicht nur den Eigenthumsbesitzer, sondern auch den 
Pachtbesitzer der Mühle. Erk. des Obertr. vom 17. Okt. 1866 (J. M. Bl. S. 331). Aber doch wohl 
nicht Beide zugleich, wie nach der Fassung angenommen werden könnie; denn der körperliche „Besiter“ 
ist ja eben nur der Pächter. 
67b) (3. A.) Die in den 658. 8 und 9 enthaltene Bestimmung findet auch dann Anwendung, wenn 
der Wasserstand auf Grund der Allgemeinen Gewerbeordnung im Verwaltungswege regulirt worden 
ist. Pr. des Obertr., S. f. Su. S. vom 15. Juni 1855 ##. Be. S. 355).
	        
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