Gerichtsverfassung. 111
Staatsgerichte, so sind sie doch — mit alleiniger Ausnahme des
Reichsgerichts — nicht Gerichte des Deutschen Reichs, sondern Gerichte der
einzelnen Deutschen Bundesstaaten. Mit alleiniger Ausnahme des Reichsgerichts
wird daher durch die Deutschen Gerichte die den einzelnen Bundesstaaten zu-
stehende Gerichtsbarkeit ausgeübt. Der Satz des früheren Deutschen Staatsrechts:
„Inhaber der richterlichen Gewalt ist der Landesherr“ bleibt bestehen für alle ordent-
lichen Gerichte mit Ausnahme des Reichsgerichts. Durch dieses Gericht ist eine richter-
liche Gewalt des Reichs geschaffen; aber diese richterliche Gewalt des Reiches ist auch
auf den Umfang und auf diejenige Wirksamkeit beschränkt, welche die Kompetenz des
Reichsgerichts ausmacht.
Aber obwol die Gerichte mit Ausnahme des Reichsgerichts Landesgerichte sind,
so ist doch ebenso wie das Verfahren vor diesen Landesgerichten durch die CPO.,
StrafP# O. und KO., so auch die Organisation dieser Gerichte reichsgesetzlich
normirt. Obwol das Reich die territoriale Gerichtsgewalt bestehen läßt, so verlangt
es doch: 1) daß die landesherrliche Gewalt ihre Thätigkeit nicht versage; geschähe
dies, so würde Justizverweigerung vorliegen und Remedur in Gemäßbeit des Art. 77
der Verfassung für das Deutsche Reich zu bewirken sein; und 2) daß die landes-
richterliche Gewalt durch solche Organe, solche Gerichte und in solcher Weise aus-
geübt werde, wie das reichsgesetzlich vorgeschrieben ist. Nach Art. 4, 17 der Ver-
fassung des Deutschen Reichs ist das Reich zuständig da, wo es seine Gesetze erlassen
hat, auch die Beaufsichtigung bezüglich der Befolgung dieser Gesetze eintreten zu
lassen. Falls daher die Landesgerichte nicht so organisirt sein sollten, wie das GG.
dies vorschreibt, so würde, insoweit dies die Parteien nicht selbst zum Gegenstande
von Rechtsmitteln machten, das Reich unzweifelhaft in der Lage sein, allenfalls auf
dem Wege der Exekution (RVerf. Art. 19) die Befolgung der in dem G.
enthaltenen Bestimmungen zu erzwingen. Diese Vorschriften sind aber derartig, daß
sie der Territorialgewalt noch einen ziemlich weiten Spielraum lassen.
Die wichtigsten Punkte, auf die es für die Abgrenzung der Gebiete des Reichs-
staatsrechtes und des Landesstaatsrechtes bezüglich der G. ankommen möchte, beziehen
sich auf die Richter, die Gerichtsbezirke und die Besetzung der Gerichte.
I. Hinsichtlich der Richter trifft das G. Vorschriften über deren Quali-
fikation, über die Garantien richterlicher Unabhängigkeit, sowie über
die Freizügigkeit der Richter.
1) Die Qualifikation zum Richteramte hat (GVG. § 4) jeder ordent-
liche öffentliche Lehrer des Rechts an einer innerhalb des Reichs befindlichen
Universität. Hier bedingt die amtliche Stellung die OQualifikation und gleichgültig
ist es, welcher Vorbereitungsweg zur ordentlichen Professur der Rechte an einer
Deutschen Universität geführt hat. Ob die hiernach im Allgemeinen vorhandene
OQualifikation auch in Bezug auf die einzelne Persönlichkeit anzuerkennen sei, hängt
von den Landesjustizverwaltungen, bei etwaigen Anstellungen am Reichsgericht von
der Reichsjustizverwaltung ab. Im Uebrigen wird die Oualifikation zum Richter-
amte durch eine bestimmte, diesem Amte gewidmete Vorbereitung bedingt. Das GG.
stellt für dieselbe nur allgemeine Forderungen auf. Zwei Prüfungen werden ver-
langt, die erste nach Abschluß eines mindestens dreijährigen Rechtsstudiums auf einer
Universität (ein und ein halbes Jahr des Studiums muß auf einer zum Deutschen
Reiche gehörenden Universität stattgefunden haben), die zweite nach Abschluß eines
mindestens dreijährigen praktischen Dienstes. In welcher Weise jedoch diese Prüfungen
zu halten, welche Anforderungen in denselben an den Kandidaten zu stellen sind, das
hängt von dem Ermessen der Landesjustizverwaltung ab. Ebenso ist es in dieses
Ermessen gestellt, die reichsgesetzlich, sei es für das Universitätsstudium sei es für
den Vorbereitungsdienst, bestimmte Zeit zu verlängern oder anzuordnen, daß ein
Theil der für den Vorbereitungsdienst bestimmten Zeit — längstens ein Jahr —
im Dienste bei den Verwaltungsbehörden verwandt werde (GVG. J§ 1, 2). Nach