Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

10 Gebäudeservituten. 
Gebäudeservituten sind die für die Bedürfnisse eines Gebäudegrundstücks be- 
stimmten Servituten, die nach der gewöhnlichen Ansicht mit den servitutes prae- 
diorum urbanorum s. servitutes urbanae der Römer zusammenfallen sollen. Doch 
herrscht über die Bedeutung der letzteren Ausdrücke eine große Meinungsverschieden- 
heit. Die Mehrzahl der neueren Schriftsteller faßt jene Ausdrücke als von der 
Oualität der herrschenden Grundstücke ausgehend und die Thatsache bezeichnend auf, 
daß eine Dienstbarkeit einem Gebäude zustehe, während Einige, wie Vangerow, als 
Inhalt dieser Dienstbarkeiten das Recht zu einem habere oder prohibere ansehen, 
Andere, wie v. d. Pfordten und Sintenis als servitutes praedüt urbani die- 
jenigen bezeichnen, welche ihrem Inhalte nach ein Gebäude, sei es nun als herr- 
schendes oder dienendes Grundstück, voraussetzen. Hölder (Instit. d. Röm. R., 
Seite 116 B) betrachtet als s. urb. die negativen und die im Zustande des ser- 
vitutberechtigten Gebändes sich verkörpernden. 
Es fallen unter obige Kategorie der G., die von den gesetzlichen Eigenthums- 
beschränkungen zu Gunsten von Nachbarn zu unterscheiden sind: 1) das Recht, ab- 
fließendes Regenwasser in Tropfen oder in einem Strahle auf das benachbarte Grund- 
stück abzuleiten, serv. stillicidll, fluminis immittendi, avertendi; 2) das Recht, sein 
Gebäude in den Raum über dem benachbarten Grundstücke hineinragen zu lassen, serv. 
protegendi bei einem Dache, sonst projiciendi; 3) das Recht, Balken in eine fremde 
Mauer einzulassen, serv. tigni immittendi; 4) das Recht, ein Haus auf eine fremde 
Mauer u. s. w. zu stützen, serv. oneris ferendi, die eine Abweichung von dem 
sonstigen Charakter der nie zu positiven Leistungen, zu einem facere verpflichtenden 
Servituten in der Art darstellt, daß hier der Berechtigte den Belasteten dazu zwingen 
kann, die betreffende Mauer u. s. w. in tauglichem Zustande zu erhalten nach der 
Formel: jus sibi esse, cogere adversarium reficere parietem ad onera sua sustinenda, 
was wol nur als Verbindung eines obligatorischen Rechts mit dem sonstigen, ding- 
lichen Charakter der Servitut aufzufassen ist; 5) das Recht, unreines Wasser oder 
Unrath durch Kanäle über ein fremdes Grundstück fortzuschaffen oder eine Dünggrube 
an der nachbarlichen Mauer zu haben, serv. cloacae immittendae, serv. latrinae; 
6) das Recht, über ein sonst zulässiges Maß hinaus durch Rauch, Damps, schädliche 
Stoffe ein fremdes Grundstück zu belästigen; 7) das Recht, zu verbieten, daß auf 
dem Nachbargrundstücke überhaupt oder wenigstens über eine bestimmte Höhe hinaus 
gebaut werde, serv. altius non tollendi; 8) das Recht, zu verbieten, daß durch neue 
Bauten dem herrschenden Grundstücke Licht oder Aussicht entzogen werde, serv. 
ne luminibus, ne prospectui officiatur, wogegen die serv. luminum, ut vicinus 
lumina nostra excipiat wahrscheinlich das Recht enthielt, in fremder Mauer Fenster 
haben zu dürfen. Die gegentheiligen Servituten des altius tollendi, officiendi 
luminibus, stillicidit non avertendi faßt man theils als Befreiungen von lokal- 
rechtlich bestehenden gesetzlichen Eigenthumsbeschränkungen, theils als Wiederaufhebung 
von Dienstbarkeiten des entgegengesetzten Inhalts auf. Abweichend vom Röm. 
Recht gestattete das Deutsche Recht, und besonders das partikulare, die Anlegung 
von neuen Fenstern und Oeffnungen nach dem benachbarten Grundstücke nur mit 
Zustimmung des Nachbars oder nur in besonderer Höhe und mit Vergitterung; da- 
gegen schützte es das einmal erworbene Recht gegen spätere Beeinträchtigung. In 
diesem Sinne sind die Bestimmungen des A. LR. Th. I. Tit. 8 §8 137, 138 ab- 
gefaßt. 
Quellen: D. 8, 2 de servitutibus praediorum urbanorum. — Preuß. LR. Th. I. Tit. 
22 §§ 55—62 kennt nicht die dem Röm. Recht selbst noch unter Justinian eigenthümliche 
usucapio libertatis bei G., verpflichtet ferner bei zufälligen Schäden der unterstützenden 
Mauer rücksichtlich der serv. oneris ferendi den Eigenthümer des herrschenden Grundstücks zur 
Unterstützung seines belastenden Hauses und kennt überhaupt bei vertragsmäßig bestellten, ent- 
geltlichen Servituten eine Reparaturverbindlichkeit des Eigenthümers des dienenden Grund- 
stücks. — Oesterr. BGB. §§ 475, 476, 488—491. — Code civ. art. 675—679, 687. — Sachf. 
BGB. 88 541—547. — C. civ. Italiano 1866 art. 583—590.
	        
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