Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Geschäftsgang. 131 
Damit der Gegner in diesem Termine auch erscheine, muß ihm daneben die gesetzliche 
Erscheinungsfrist gelassen werden, die also nicht, wie beim Rollensystem mit 
dem Termine zusammenfällt. Soweit thunlich werden dann alle auf den Termin 
fixirten Sachen auch im Termine erledigt. Reichen Zeit und Kraft nicht aus, so 
werden die unerledigten Sachen sofort in einen anderen Termin fixirt, wo die Par— 
teien wiederholt zu erscheinen haben. 
Die Vortheile des Rollensysten#s# bestehen darin, daß viel einfache Sachen, 
wenn die Parteien, was ja so oft vorkommt, darüber einig gehen, sofort, ja sogar 
schon vor Ablauf der Erscheinungsfrist, Versäumnißurtheile sofort nach deren Ab- 
lauf erledigt werden können. Jenes ist indeß auch beim Terminsystem nicht aus- 
geschlossen; es brauchte sich nur die Praxis zur Geltung bringen, daß beide Theile, 
was die Deutsche CP O. nicht verbietet, das Gericht ersuchen, ihre sofort zu erledi- 
genden Anträge entgegenzunehmen. Im wichtigeren Falle, dem der Versäumniß- 
urtheile, ist es allerdings unthunlich, so lange nur kraft des Terminbestimmungs- 
dekrets geladen werden darf. Ein weiterer Vorzug des Rollensystems liegt darin, 
daß die Sitzungen immer, also auch bei Verhinderungsfällen der prioritätsberechtigten 
Parteien, mit dem anderen vorliegenden Streitmaterial ausgefüllt, und andererseits 
auch ohne besondere Inkonvenienzen, sobald Zeit und Kräfte erschöpft sind, geschlossen 
werden können, endlich darin, daß die Gerichte nicht mit dem Terminbestimmen und 
in Folge davon mit keiner Aktenwirthschaft behelligt sind. . 
Der Vorzug des Terminsystems besteht darin, daß die Parteien in der Regel 
genau wissen, an welchem Tage sie ihre Sachen vorzutragen haben, womit allerdings 
nicht jede Zeitversäumniß ausgeschlossen ist. Der eigentliche Grund seiner Beibe— 
haltung in der Deutschen CPO. ist der, daß man es für zweckmäßig hielt, daß der 
vorsitzende Richter bei Einsicht des Klageschriftsatzes eine ungefähre Idee vom Streit- 
gegenstand bekomme. 
Da die Prozeßinstruktion im mündlichen Verfahren Sache der Parteien 
ist, so besteht der G. im Prinzip lediglich im Schriftenwechsel zwischen ihnen, am 
zweckmäßigsten durch Vermittlung öffentlicher Zustellungsbeamten. Die Einreichung 
der Schriftsätze an das Gericht ist nicht blos kein Postulat dieses Prozeßverfahrens, 
sondern eigentlich mit seinem Kern und Wesen im Widerspruch. Daß sie in der 
Deutschen CPO. vorgeschrieben ist, erscheint als ein Kompromiß mit den her- 
gebrachten Gepflogenheiten des eingewöhnten schriftlichen Verfahrens, gleichwie die 
Nichtannahme des Rollensystems, die Beibehaltung des Aktenwesens und der Sitzungs- 
protokolle. Der Schriftenwechsel ist überhaupt kein Essentiale des G. Die Fran- 
zösische Prozeßordnung untersagt ihn sogar in vielen Fällen schlechtweg. Nothwendig 
ist er nur in Hinsicht auf den Kostenpunkt als Vorsichtsmaßregel. Wo diese Rück- 
sicht wegfällt, da ist auch für die Deutsche Praxis die Aussicht vorhanden, daß die 
Anwälte sie bald im Interesse des unverfälschten Mündlichkeitsprinzips (und nicht 
blos weil ihnen nach der Deutschen Gebührenordnung kein Honorar dafür zu Theil 
wird) einestheils auf das Allernothwendigste beschränken und anderentheils, was ja 
ganz gefahrlos ist, der Mittheilung der Schriftsätze in einer dritten Abschrift für das 
Gericht sich ganz entschlagen und dadurch allen Theilen den G. erleichtern werden. 
Der G. in den Sitzungen ergiebt sich aus den Gesetzbüchern. Ein dem 
Wortlaut entsprechendes Sitzungsprotokoll wird auch nach der Deutschen 
CPO. nicht geführt, sondern nur besondere Verhandlungsprotokolle über die 
einzelnen Sachen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind sie durchaus 
überflüssig, da sie nichts enthalten, als was im Urtheil ebenfalls zu finden ist. 
Unter der Herrschaft des Rollensystems kommt überhaupt nichts dem Aehnliches vor. 
Alles, was in Betreff einer Verhandlung gerichtlich zu konstatiren ist, das wird in 
das sog. Audienzblatt mit Angabe der Rollennummer eingetragen, in unmittel- 
barer Aufeinanderfolge, sei es Urtheil, Verweisung in eine andere Sitzung, Zeugen- 
verhör, Eidesleistung 2c. Will man das ein Sitzungsprotokoll nennen, so wäre der 
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