Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Geschäftsordnung. 133 
allen anderen Sachen ist die Strafverfolgung Sache des Staats; er ist Partei; Be— 
weismaterial und die auf den formalen G. bezüglichen Schriftstücke bilden in jeder 
Strafsache einen Aktenfascikel, dessen archivalische Behandlung Sache der Staats— 
anwaltschaft sein sollte, während für die Urtheile die registermäßige Eintragung 
platzgreiflich ist. Auszüge daraus genügen für den Vollstreckungsdienst. Die Be— 
stellung von Referenten ist da, wo dem Gericht das ganze Beweismaterial vorgeführt 
wird, einerseits ebenso unthunlich, als andererseits unerläßlich, wo dies nicht 
geschieht, also insbesondere in der Berufungsinstanz. 
it.: Perrin, Essai sur le traveil des greffes, Paris 1824. — Salme, Traité des 
greftes, 1854. — Mayer, Prozeßpraxis, Berlin 1879. — Creizenach, Gesetz und Fort- 
bildung in der Deutschen Civilprozeßpraxis, 2. Aufl., Berlin 1880. Creizenach. 
Geschäftsordnung (Th. I. S. 867) ist die Regel, welche die Volks- 
repräsentation bei Behandlung und Erledigung der ihr durch die Verfassung 
zugewiesenen Geschäfte zu beobachten hat. Nach mehreren Verfassungen ist dieselbe 
ein Gesetz (Bayern, Sachsen, Hessen, Braunschweig, Oldenburg, die Sächsischen 
Herzogthümer u. A.); nach anderen hat ausschließlich die Volksvertretung, und zwar 
in den Staaten des Zweikammersystems jede der beiden Kammern für sich, das Recht, 
ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin zu regeln (so der Deutsche Reichstag und die 
Landtage von Preußen, Württemberg, Reuß ält. und jüng. Linie, Schaumburg- 
Lippe, Waldeck, in engerem Umfange auch die Landtage von Bayern und Sachsen). 
Doch ist auch die Geltung der von der Volksvertretung aufgestellten G. überall von 
der Beobachtung derjenigen Verfassungsbestimmungen abhängig, welche die Organi- 
sation und Verhandlungsweise der Kammern betreffen. Hinsichtlich des geschäftlichen. 
Verkehrs der Kammern unter einander oder mit der Regierung ist, soweit derselbe 
nicht durch Verfassung oder Gesetz normirt ist, gegenseitige Uebereinkunft nothwendig. 
Die in Deutschland geltenden G. haben im Ganzen den gleichen Inhalt. 
Jede Kammer, bzw. die ganze Ständeversammlung, wenn dieselbe nur aus 
Einer Kammer besteht, hat überall bei dem Eintritt in eine neue Legislaturperiode 
unter dem Präsidium ihres der Geburt nach ältesten Mitglieds, des sog. Alters- 
präsidenten (so Preußen, Deutscher Reichstag) zuerst die Legitimationen ihrer Mit- 
glieder zu prüfen. Bei jeder ferneren Session tritt das Haus unter dem Präsidenten 
der vorhergegangenen Session zusammen. Die Vorprüfung der Wahlen wird den 
Abtheilungen, in welche nach vielen G. (auch denen des Preußischen Land= und des 
Deutschen Reichstages) das Haus beim Beginn jeder Session durch das Loos getheilt 
wird, in der Weise übertragen, daß jeder Abtheilung eine möglichst gleiche Anzahl 
von Wahlverhandlungen loosweise zugewiesen wird. Die Wahl eines Abgeordneten 
kann vom Hause selbst, von der Regierung und endlich schriftlich von jedem wahl- 
berechtigten Staatsbürger, die Legitimation eines erblichen oder lebenslänglichen 
Kammermitgliedes nur vom Hause selbst und von der Regierung angefochten werden. 
Im Deutschen Reichstag macht der Ablauf einer zehntägigen Frist nach Eröffnung 
der Session, bzw. bei den während der Session stattfindenden Nachwahlen nach Fest- 
stellung des Wahlergebnisses, alle bis dahin unbestrittenen Wahlen unanfechtbar. 
Bestrittene oder von den Abtheilungen beanstandete Wahlen werden überall durch 
Beschluß des Hauses gültig. 
Im Preußischen Herrenhause und im Deutschen Reichstage erfolgt die Wahl 
der Präsidenten, sobald die zur Beschlußfähigkeit des Hauses nöthige Anzahl von 
Mitgliedern erschienen ist. Anderwärts, so auch im Preußischen Abgeordnetenhause, 
schreitet das Haus zur Wahl des Präsidenten, des oder der Vizepräsidenten, der 
Schriftführer und sonstigen in den einzelnen Verfassungen vorgeschriebenen Beamten 
des Hauses erst, nachdem die Mehrzahl der Wahlen geprüft und gebilligt ist, und 
alle neu eingetretenen Mitglieder, deren Wahl approbirt worden, da, wo dies (wie 
auch in Preußen) verlangt wird, vereidigt sind. Im Preußischen Abgeordnetenhause 
und im Deutschen Reichstage wird der Präsident beim Beginn einer neuen Legisla-
	        
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