Gewerbefreiheit. 165
die Bedürfnißfrage in diesen Fällen erörtert werden konnte. Damit ist jedoch prak-
tisch sehr wenig auszurichten gewesen, weil einerseits die ohne Bedürfniß zu ertheilende
Gastwirthschaftskonzession auch die Schankkonzession in sich enthält, und weil außer-
dem namentlich auf dem Lande und in kleinen Städten ein reeller Unterschied zwischen
Gast= und Schankwirthschaften gar nicht zu machen ist. Um diesen Uebelständen
abzuhelfen, hat die Novelle vom 23. Juli 1879 angeordnet, daß zunächst ganz
unbedingt auch bei entgegenstehender Landesgesetzgebung die Konzessionen für den
Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus und für den Ausschank von Branntwein
von dem Bedürfnißnachweise abhängig zu machen sei, und daß außerdem die Be-
dürfnißfrage auch für die Konzession sonstiger Schankwirthschaften mit geistigen Ge-
tränken, sowie für Gastwirthschaften in allen Ortschaften mit weniger als 15 000 Ein-
wohnern und in denjenigen größeren Ortschaften, für welche solches durch Ortsstatut
festgesetzt wird, maßgebend sei. Die Entscheidung über Konzessionen dieser Art steht
in erster Instanz den Kreis (Stadt)-Ausschüssen resp. den Magistraten in Kreisstädten
über 10 000 Einwohnern zu; die zweite Instanz bildet das Bezirksverwaltungs-
gericht, gegen dessen Entscheidung das außerordentliche Rechtsmittel der Revision an
das Oberverwaltungsgericht zulässig ist. — Einer Konzession bedarf nach der Novelle
vom 23. Juli 1879 auch derjenige, der das Geschäft eines Pfandleihers betreiben
will; und zwar ist dieselbe dann zu versagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche
die Unzuverlässigkeit des Nachsuchenden in Bezug auf den beabsichtigten Gewerbe-
betrieb darthun; die Landesregierungen sind außerdem befugt, zu bestimmen, daß in
Ortschaften, für welche dies durch Ortsstatut festgesetzt wird, die Erlaubniß von dem
Nachweis des vorhandenen Bedürfnisses abhängig sein solle; als Pfandleihgewerbe
gilt auch der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rück-
kaufsrechts. — Endlich können die Landesgesetze vorschreiben, daß zum Handel mit
Giften und zum Betriebe des Lootsengewerbes besondere Genehmigung erforderlich
ist, ingleichen daß das Gewerbe der Markscheider nur von Personen betrieben werden
darf, welche als solche geprüft und konzessionirt sind; eine Vorschrift, welche sich
bereits im Preuß. Allg. Berggesetze findet.
3) Die polizeiliche Regulirung. Einer sehr weitgehenden Einwirkung
seitens der Ortspolizeibehörde unterliegen die sog. Straßengewerbe, d. h. diejenigen
Gewerbebetriebe, welche sich auf den öffentlichen Verkehr innerhalb der Orte durch
Beförderungemittel aller Art (Wagen, Sänften, Gondeln) beziehen, sowie auch der
Gewerbebetrieb derjenigen Personen, welche auf öffentlichen Straßen ihre Dienste an-
bieten (Dienstmänner, Fremdenführer). Die Zulässigkeit dieser Gewerbebetriebe hängt
nicht blos von der vorherigen Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit in sittlicher
und technischer Hinsicht und von der Prüfung der Betriebsmittel, sondern auch von der
Bedürfnißfrage ab. Außerdem unterliegt aber auch die Ausübung dieser Gewerbe-
betriebe in umfassender Weise einer polizeilichen Einwirkung, indem z. B. den Fuhr-
werken bestimmte Stellen angewiesen werden, an denen sie, jedoch nur in bestimmter
Zahl, zu halten haben, indem ferner die Linie des Omnibusverkehrs vorgeschrieben
wird; insbesondere kann hinsichtlich des Abschlusses von Verträgen zwischen diesen
Gewerbtreibenden und dem Publikum, sowie hinsichtlich des Inhalts derselben der
Wille der betreffenden Gewerbtreibenden auf mannigfache Weise eingeschränkt werden,
so daß dieselben verpflichtet sind, überhaupt zu fahren, nach einer bestimmten Taxe zu
fahren u. s. w. Solche ortspolizeiliche Anordnungen müssen übrigens in der Form
von Polizeistrafverordnungen getroffen werden, da es sonst an der gesetzlichen Grund-
lage für die Bestrafung von Kontraventionen fehlen würde, indem die Gew.O. keine
näheren Bestimmungen, insbesondere auch keine Strafbestimmungen enthält; nur in
dem Falle, daß es sich um die Aufstellung von Taxen für diese Gewerbe handelt,
hat die Polizeibehörde nach § 76 der R.Gew.O. das Einverständniß der Gemeinde-
behörde vorher einzuholen. Diejenigen endlich, welche gewerbsmäßig Schriften oder
Bildwerke öffentlich ausrufen, verkaufen, vertheilen, anheften oder anschlagen, be-