Gewerbeordnung. 169
Friedrich Wilhelm I. 1718 wurden principia regulativa erlassen, wonach gewisse
Gewerbe auf dem Lande zugelassen wurden. Bezüglich der eigentlichen Zunft-
verfassung hat dann das RGes. von 1731 über die Zunftmißbräuche wesentliche
Aenderungen getroffen, und dieses RGef. ist gerade in Preußen mit ganz besonderem
Nachdruck zur Ausführung gebracht worden. Insbesondere erfolgte 1734—1737 auf
dieses Gesetz hin eine vollständige Revision sämmtlicher Zunft= oder Innungsstatuten;
die eigentlichen monopolistischen Mißbräuche wurden dadurch beseitigt, jeder Meister
konnte so viel Gesellen halten, als er wollte. Die bisherige Gesetzgebung fand ihren
Abschluß im A. LR. II. 8 § 3. Die Hauptgrundsätze des LR. sind folgende: Die
Städte erscheinen als zum Aufenthalt solcher Einwohner des Staates bestimmt, die
sich mit Verarbeitung und Verfeinerung der Naturerzeugnisse und mit Handel be-
schäftigen; prinzipiell ist das Gewerbewesen also noch immer an die Städte geknüpft.
Viele Gewerbe dürfen noch nach dem LR. gar nicht auf den Dörfern getrieben werden,
viele wenigstens nicht innerhalb der sog. Bannmeile. Messen, sowie Märkte aller
Art sollen der Regel nach in Städten gehalten werden. Wo Zünfte vorhanden sind,
muß jeder, der ein zunftmäßiges Gewerbe treiben will, sich in die Zunft aufnehmen
lassen. Es giebt aber neben den geschlossenen Zünften auch ungeschlossene, und selbst
bei geschlossenen Zünften hat der Staat das Recht, sog. Freimeister anzustellen. Die
Aufnahme in die Zunft setzt voraus Lehrzeit und Meisterstück. Die Verhältnisse der
Lehrlinge, Gesellen und Meister zu einander sind auf das Genaueste regulirt. Auf Grund
dieser Gesetzgebung war der Zustand des Preuß. Gewerbewesens zu Ende des vorigen
Jahrhunderts ein überaus blühender, wie sich das in Zahlen schlagend nachweisen läßt.
2) Der gänzliche Abbruch dieser älteren Ordnung und die Einführung voller
Gewerbefreiheit war das Werk der Reformgesetzgebung, jedoch nicht das Werk Stein's,
sondern ausschließlich das Werk Hardenberg's. Die Stein'sche Städteordnung be-
seitigte lediglich das bisherige Recht der Zünfte bei der Bildung der städtischen
kommunalen Organe, behielt aber die Zünfte an sich bei und konservirte auch im
Ganzen die bisherige enge Verbindung zwischen Meister= und Bürgerrecht. Die
Regierungsinstruktion vom 26. Dezbr. 1808 § 50 enthielt jedoch bereits den Satz,
daß es dem Staate am zuträglichsten sei, die Gewerbe ihrem natürlichen Gange zu
überlassen. Das Edikt vom 2. Novbr. 1810 über die Einführung einer allgemeinen
Gewerbesteuer hat dann das Prinzip verwirklicht. Dasselbe stellte den allgemeinen
Grundsatz an die Spitze, daß zum Betriebe jedes Gewerbes die Lösung eines Gewerbe-
scheines erforderlich, aber auch genügend sei, und daß die Ertheilung eines solchen
Scheines Niemandem verweigert werden dürfe, der bis dahin einen rechtlichen Lebens-
wandel geführt habe. Das Edikt vom 2. Nov. 1810 beseitigt demgemäß ausdrücklich
den bisherigen Unterschied von Stadt und Land, sowie alle Vorrechte, die bis dahin
den Zünften, Innungen und Privatpersonen zugestanden hatten oder mit dem Besitze
eines Grundstücks verbunden gewesen waren. Nur aus Sicherheits= und gesundheits-
polizeilichen Gründen wurde bei einigen wenigen Gewerben die Ertheilung des Ge-
werbescheines abhängig gemacht von dem Nachweise der zum geschickten oder sicheren
Betriebe erforderlichen Eigenschaften. Das Gesetz vom 7. Sept. 1811 über die
polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe hat dann diese Einschränkungen des Gewerbe-
betriebes aus polizeilichen Rücksichten näher bestimmt und theilweise weiter aus-
gedehnt, übrigens aber den Grundsatz der Gewerbefreiheit in vollem Maße aufrecht
erhalten, indem namentlich das Fortbestehen der Zünfte zwar an und für sich ge-
stattet, der Eintritt aber von den Inhabern der Gewerbescheine in keiner Weise ver-
langt wurde.
3) In den nach den Freiheitskriegen neu und wieder erworbenen Landestheilen
wurden nun zwar die finanziellen, nicht aber auch die gewerbepolizeilichen Be-
stimmungen des Edikts vom 2. November 1810 eingeführt und das Edikt vom
7. Sept. 1811 ganz unberücksichtigt gelassen. Es mußte demgemäß im ganzen
Staate Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen gezahlt werden, dagegen blieb hin-