Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gewerbeordnung. 171 
folgende maßgebende Postulate: Beschränkung der Zahl der Meister an jedem Orte, 
Verbot des Hausirhandels, Zugehörigkeit aller Handwerksarbeiten in den Fabriken 
an die zünftigen Meister des Orts, Beschränkung jedes Gewerbetreibenden auf ein 
Gewerbe, Zuscheidung des Kleinhandels mit Handwerkswaaren an die Innungsmeister, 
regelmäßige Alleinberechtigung der Städte zum Gewerbebetrieb, Unzulässigkeit von 
Gemeinde-, Staats- oder Aktienwerkstätten, Verbot des Zuschlags der öffentlichen 
Arbeiten an den Mindestfordernden und Vertheilung derselben an die Meister durch 
den von diesen eingesetzten Gewerberath, Verbot der öffentlichen Versteigerung neuer 
Waaren, des Haltens von mehr als zwei Lehrlingen, Besteuerung der Fabriken zu 
Gunsten der Handwerker, endlich Lehrzwang, Wanderzwang und Prüfungszwang. — 
Während nun dieses Programm ohne unmittelbare praktische Folgen blieb, so hatten 
doch die Klagen des Preuß. Handwerkerstandes, auf den eigentlich allein die Ge- 
werbefreiheit eingewirkt hatte, dahin geführt, daß bereits die Preuß. National- 
versammlung eine Fachkommission unter Zuziehung von Vertretern des Gewerbe- 
standes niedergesetzt hatte, die jene Klagen im Allgemeinen als begründet anerkannt 
und demgemäß bereits den Erlaß einer Novelle zur G. in Vorschlag gebracht hatte. 
Die Regierung ging also nur auf diesem Wege weiter, wenn sie im Januar 1849 
eine Versammlung von Abgeordneten der Handwerker und Gesellen unter Theilnahme 
von Vertretern des Handels= und Fabrikstandes nach Berlin berief, und ohne die 
damals geltend gemachten Forderungen im vollen Maße zu befriedigen, durch den 
Erlaß der von den Kammern später genehmigten provisorischen Verordnung vom 
7. Febr. 1849 die Grundsätze nicht nur der G. vom 17. Jan. 1845, sondern auch 
der Gesetze von 1810 und 1811 im Sinne der älteren Zustände erheblich modifizirte. 
Es wurde zwar der Unterschied zwischen Stadt und Land, die Nothwendigkeit des 
Beitritts zur Innung, die Beschränkung der Zahl der Meister, die Berücksichtigung 
des örtlichen Bedürfnisses nicht wieder hergestellt, dagegen wurde der Beginn des 
selbständigen Betriebes bei den wichtigsten und zahlreichsten Gewerben entweder von 
der Aufnahme in eine Innung nach vorgängiger Nachweisung der Befähigung, oder 
von der Prüfung vor einer besondern Kommission abhängig gemacht, die Lehrlings- 
und Gesellenzeit, ebenso die Gesellenprüfung obligatorisch vorgeschrieben, und die 
Arbeitsbefugnisse und Beschäftigungsgebiete der wichtigeren Handwerke mit Rücksicht 
auf die Ortsgewohnheiten abgegrenzt — eine Quelle zahlloser oft kaum lösbarer 
Streitigkeiten und endloser Belästigung der Obrigkeit — auch den zu erlassenden 
Ortsstatuten das Verbot der gleichzeitigen Ausübung mehrerer Handwerke, ingleichen 
die Beschränkung des Detailverkaufs von Handwerkswaaren durch Nichthandwerker 
gestattet. Außerdem wurde damals zur Förderung der allgemeinen Interessen des 
Handwerks= und Fabrikbetriebes, sowie zur Ueberwachung der über das Innungs- 
wesen, über die Annahme und Behandlung der Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge und 
Fabriksarbeiter, über die Meister= und Gesellenprüfungen, über die Abgrenzung der 
Arbeitsbefugnisse erlassenen Vorschriften das Institut der Gewerberäthe eingeführt, 
welche aus dem Gewerbestande, dem Fabrikstande und dem Handelsstande des Orts 
oder Bezirks zu gleichen Theilen gewählt — in der Handwerks= und Fabrikabtheilung 
unter gleicher Berücksichtigung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer — nach Anhörung 
der gewerblichen und kaufmännischen Korporationen und der Gemeindevertreter überall, 
wo wegen eines erheblichen gewerblichen Verkehrs ein Bedürfniß obwalten, mit Ge- 
nehmigung des Ministers für Handel, Gewerbe und bffentliche Arbeiten errichtet 
werden konnten. Die Anordnungen der Verordnung von 1849 hatten jedoch nach 
keiner Seite einen erheblichen Erfolg, und wenn einerseits die Praxis der Behörden, 
sowie die Entwicklung des gewerblichen Lebens in der Folgezeit die beschränkenden 
Bestimmungen ziemlich illusorisch machten, so konnten andererseits die Gewerberäthe, 
theils wegen der Verschiedenheit der in denselben vertretenen Elemente, theils wegen 
der Unbestimmtheit der denselben ertheilten Befugnisse keine nachhaltige Wirksamkeit 
gewinnen, so daß von den im Jahre 1849 gebildeten 96 Gewerberäthen im Jahre
	        
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