Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

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dem männlichen und 18 Jahre bei dem weiblichen Geschlecht, sowie ehrbarer Lebens- 
wandel nachgewiesen wurde. (Ein interessantes Formular bei Cassiodor. Var. VII. 41). 
Die G. bewirkte, daß dem damit Beliehenen wegen nachher eingegangener Rechts- 
geschäfte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wurde. Er erhält 
freie Verfügung über sein Vermögen und bedarf nur bei Verkauf von Grundstücken 
eines obrigkeitlichen Dekrets. Obwol sich auch schon im deutschen Mittelalter 
kaiserliche G. vorfinden, nach eingelnen Rechten sogar dem Familienrath (vgl. Tacitus, 
Germ., c. 13) oder Vater gestattet war, ein Kind für großjährig zu erklären, so sind 
doch gemeinrechtlich lediglich die Vorschriften des Röm. R. als aufsgenommen zu er- 
achten, und so in eingelne Partikularrechte übergegangen (Preuß. LR. II. 18 8§ 713 ff.: 
C. Max. Bav. 1. 7 § 36; Oesterr. BGB. 8 282; Sächs. BGB. 88 1967—1971), 
jedoch ist in diesen theils die Altersgrenze eine geringere, theils die Verleihung den 
Obervormundschaftsbehörden übertragen, theils die Römische Veräußerungsbeschränkung 
aufgehoben. Auch findet sich zuweilen die Bestimmung, daß einem Mündel von 
20 Jahren die Einkünfte seines Vermögens zur freien Verfügung überlassen werden 
können (A. LR. II. 18 8§ 728; Oesterr. BSGB. § 247). Mit der Entlassung des 
Haussohnes aus der väterlichen Gewalt ist die G. nicht verbunden und umgekehrt. 
Eigenthümlich ist das Französ. R. Der Vater oder in dessen Ermangelung die 
Mutter können das Hauskind mit 15 Jahren, der Familienrath den Bevormundeten 
mit 18 Jahren für großjährig erklären. Es endet alsdann das elterliche Nießbrauchs- 
recht; der Emanzipirte kann in beiden Fällen frei über seine Person verfügen, auch 
sein Vermögen verwalten, darf aber über dasselbe ohne Zustimmung eines ihm von 
dem Familienrathe zu ernennenden Kuratoks nicht verfügen, welcher letztere übrigens 
nicht als Vertreter, sondern nur als Beistand auftreten kann (Code civ. art. 476—487). 
Nach der gegenwärtigen Preuß. Verordn. vom 5. Juli 1875 wird die G. eines 
Mündels nach vollendetem 18. Lebensjahre auf Grund einer Sachuntersuchung und 
Anhörung der nächsten Verwandten von dem Vormundschaftsgericht ertheilt (§ 61), 
auch wenn es sich um die G. eines entlassenen Haussohnes handelt. Dieselbe hat 
gegenwärtig mit der erreichten Volljährigkeit gleiche Wirkungen. — Eine still- 
schweigende G. ist ungeachtet entgegenstehender Vorschriften des Röm. R. im Gem. 
R. auf Grund Deutscher OQuellen bei Verheirathung angenommen und tritt auch 
nach unbezweifelter Französischer Praxis ein, während sie die Preuß. Verordn. 699 
ausdrücklich ausschließt. 
Quellen: Außer den im Text angegebenen: Titt. C. Theod., II. 17. — Justin. II. 45: 
De his ut veniam actatis impetraverunt. 
Außer den Lehrbüchern des Gem. W. Part.Rechts: Rudorff, Das Recht der Vor- 
mundstet, 1834, III. S. 221—228; II. * 95 ff. — Kraut, Die Vormundschaft nach den 
Grundsätzen des Deutschen Rechts, 1847, II. S. 86 ff., 168 ff. — Aubry et Rau, Cours de 
droit civ. franc., 4%e ed., I. p. 540 ss. — S#r das Preuß. Recht: Dernburg,' Das Vor- 
mundschaftsrecht der Preuß. Monarchie, 2. Aufl. 1876, S. 116— 120. — Die Kommentare zur 
Vormundschaftsordnung von Anton, Neumann, Wachler, Hesse. Kayser. 
Grotius, Hugo (Huig de Groot), einem alten burgundischen Adels- 
geschlechte der Cornets angehörend, 5 10. IV. 1583 zu Delft, war eine Zeit lang 
Advokat, wurde 1607 Gen.-Advokat von Holland, Seeland und Westfriesland, am 
17. V. 1619 wegen seiner Parteinahme für die Remonstranten und Föderalisten zu 
lebenslänglichem Gefängniß und Vermögenskonfiskation verurtheilt, von seiner Gattin 
1622 aus der Festung Löwenstein befreit. Er ging nach Paris, später aus seinem 
Vaterlande verbannt, als Gesandter Schwedens an den Französischen Hof, erhielt 
1645 die erbetene Entlassung, litt auf der Reise nach Lübeck Schiffbruch und f zu 
Rostock 28. VIII. 1645. „Bataviae decus, aevi miraculum.“ 
Schriften: Parallelon rerum public. liber tertius de moribus ingenioque pop. 
Atheniensium, Romanorum, Batavorum (ed. Meermannus 1801).— Mare liberum seu de 
jure quod Batavis compctit. ad Indica commercia, 1609. — Abofogeticus eorum qui exr 
legibus praefuerunt ante mutationem quae evenit anno 1618, 1622. — De jure belli ac
	        
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