18 Gefährliche Anlagen.
wiesen, daß die Kalumnieneide auch schon vor der Reception der fremden Rechte im
Deutschen Gerichtsverfahren ihre Stätte hatten, wo sie im engsten Zusammenhang
mit dem Germanischen Reinigungseid und den Gottesurtheilen standen (S. 105,
N. 9; S. 108; S. 163; S. 191; S. 198 ff.).
Der G. ist ein genereller oder spezieller, je nachdem er sich auf den ganzen
Prozeß, oder nur auf einzelne Prozeßhandlungen bezieht. Den letzteren nennt das
Kanonische R. auch jur. malitige. Der generelle G. mußte nicht nur am Beginn
des Prozesses in erster Instang geschworen, sondern auch in den Rechtsmittelinstanzen
wiederholt werden: jur. appellatorium und revisorium (Wetzell, S. 313; s. aber
auch Renaud, §55, N. 1 i. f.) Der spezielle G. aber konnte entweder wegen der
leichten Mißbränchlichkeit der betreffenden Prozeßhandlung in gesetzlich bestimmten
Fällen ohne Weiteres, in sonstigen Fällen beim Vorliegen gegründeten Verdachtes
der Gefährde vom Richter gefordert werden. Eine besondere Anwendung des spe-
ziellen G. war das z dandorum und das jur. respondendorum (vgl. insbesondere
Zimmermann, § 25).
Als man ennstlich daran ging, alle überflüssigen Eide im Prozeß zu beseitigen,
mußten die G. unter den ersten sein, die aus dem Prozeß verschwanden. Denn wie
sie für die ehrliche Partei eine unnütze Gewissensbeschwerung enthalten, so verfehlen
sie gegenüber einer wirklich chikanösen doch ihren Zweck. So kam zunächst der
generelle G., seitdem J. R. A. 8 43 seine Abforderung in das liberum arbitrium ju-
dicis verstellt hatte, praktisch außer Gebrauch, während die speziellen G. mehr
und mehr in den Gesetzbüchern ausdrücklich abgeschafft wurden (Renaud, § 55
N. 11).
In den neuesten auf das Prinzip der Mündlichkeit und Oeffentlichkeit gebauten
Prozeßordnungen machte schon dies, sowie die freiere Stellung des Richters solch
fragwürdige Maßnahmen gegen chikanöses Prozessiren entbehrlich. Weder der
generelle noch der spezielle G. finden sich mehr in der Deutschen CPO. Doch ist
die Anwendung des letzteren als Mittel der Glaubhaftmachung stehen geblieben
(§ 266, §5 351 Abfsl. 2; oal. auch Oesterr. E. von 1876 § 421); übrigens auch
hier nicht ohne Ausnahme (8 4 Abs. 2; § 371 Abf. 3).
Quellen: tt. C. 2, 59; X. 2, 7; in Vlo. 2, 4. — K.G.O. v. 1507 I. r*-r 1555 I.
65—68; III. 13 — 2 u. 3. — 5 D. A. v. 16007 8 145. — Konc. v. 1613 87; III. 15
§ 1. — J. R. § 43. — Allgem. Preuß. G.O. I. 22 §§ 37—45.
Lit.: Gorrschsntnn. Abhandlungen, IV. S. 31—50. — Strippelmann, Gerichtseid,
II. S. 278 ff. — Zimmermann, Glaubenseid, §§ 12, 17, 24—29. — Wetzel#, System,
§ 30 sub. II. 1. — Renaud, Lehrb., * 5
Birkmeyer.
Gefährliche Anlagen. Einer besonderen gesetzgeberischen Behandlung bedar#,
auch bei prinzipieller Gewerbefreiheit, die Anlage solcher gewerblicher Etablissements,
welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Be-
sitzer oder die Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum über-
haupt erhebliche Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können. Zu
solchen Anlagen ist auch nach der Reichsgewerbeordn., die sich wiederum an die
frühere Preußische Gewerbeordn. eng anschließt, übrigens nur Normativbestimmungen
aufstellt und die Durchführung derselben im Einzelnen den Landesgesetzgebungen
überläßt, eine besondere Genehmigung erforderlich. Die dahin gehörigen Anlagen
sind in § 16 der Reichsgewerbeordn. einzeln aufgeführt, dieses Verzeichniß kann nach
Maßgabe der veränderten Verhältnisse jederzeit durch den Bundesrath abgeändert
werden, vorbehaltlich der Genehmigung des nächstfolgenden Reichstages; in der
That sind schon mehrfache Zusätze, für die sich ein Bedürfniß herausgestellt hat,
erfolgt. ·
1) Die Entscheidung liegt in Preußen für die erste Instanz in den Nicht-Kreis-
ordnungsprovinzen bei den Regierungen, in den Kreisordnungsprovinzen in der Regel