Grundsteuer. 209
lichen und usurpirten Exemtionen der privilegirten Klassen forterstreckten. Es gab
demnach bis zum Ausbruch der Revolution keine eigentliche G. in Frankreich, viel-
mehr waren die mittelalterlichen tallagia wie die späteren Zwanzigstel auf das Ge-
sammteinkommen aus Grundbesitz, Mobilien und Gewerbe berechnet. Dieses den
dritten Stand und die Staatefinanzen gleich schwer beschädigende Steuersystem führte
zu dem naturgemäßen Rückschlag, welcher durch Gesetz vom 23. Novbr. 1790 eine
gleichmäßige G. auf Liegenschaften und Gebäude einführte und solche nominell auf
240 000 000 Francs normirte. Die schwersten Mängel der Veranlagung wurden
durch das Gesetz vom 3. Frimaire an VII. gehoben. Die schon vom Konvent
dekretirte Katastrirung des Landes ist erst unter dem Kaiserreich begonnen, und hat
40 Jahre bis zur Vollendung beansprucht mit einem Kostenaufwand von 150 000#000
Francs, ungerechnet die Kosten der jährlichen Revision. Die Grundsätze der Boni-
tirung, der Berechnung des Reinertrags und die Veranschlagung der Steuer nach
15 jährigem Durchschnitt mit Weglassung der beiden günstigsten und der beiden un-
günstigsten Jahre sind vielfach als mustergültig nachgeahmt worden. Die Höhe der
Gesammtsteuer hat nach dem Maßstab der politischen Machtverhältnisse gewechselt.
Unter der Restauration bis auf 150 000 000 Francs herabgesetzt, ist sie später langsam
wieder erhöht, und durch die Steuerzuschläge für Kommunen und Departements orts-
weise so angeschwollen, daß das Gesetz, welches ein Maximum dieser Zuschläge fixirt,
zu einer Nothwendigkeit wurde. Die Vertheilung zwischen Gebäude und Landbesitz
ergab bis in die neueren Zeiten ein Durchschnittsverhältniß, nach welchem der
Landbesitz ¾ der Gesammtsteuer beiträgt.
Die Deutschen Verhältnisse des Mittelalters bieten ein nach den Land-
schaften verschiedenes Bild dar. Das Lehnswesen bildet hier weder die ausschließliche,
noch die hauptsächliche Quelle der Besteuerung, die vielmehr aus allerlei guts= und
schutzherrlichen Verhältnissen in privatrechtlicher Weise ihren Anfang nahm. Das
entstandene „Herkommen“ wurde auch nach Bildung der landständischen Verfassungen
als Recht des Landesherrn überall anerkannt. Neue außerordentliche Abgaben blieben
grundsätzlich von einer Bewilligung der Stände abhängig, und bildeten das Haupt-
band der territorialen Landstände, freilich unter fortdauernder Scheidung von Rittern,
Prälaten und Städten, welche zu einem durchgreifenden gemeinsamen Steuerfuß nicht
zu gelangen vermochten. Die dabei vorherrschende Belastung des Grundbesitzes lag
weniger in der Anlage dieser Steuern, als in den thatsächlichen Verhältnissen des
mittelalterlichen Besitzes. Vertrag und längeres Herkommen, theilweise auch die
Reichsverfassung, bildeten allmählich ein System von „nothwendigen“ Steuern, im
Unterschied von den freiwilligen. Im 18. Jahrhundert galt (unter Zustimmung der
Reichsstände) der Grundsatz, daß die Landstände das zur Landesverwaltung Noth-
wendige überhaupt bewilligen müssen, soweit das landesherrliche Kammergut nicht
ausreicht. Der fehlende Konsens der Landstände wird in solchem Fall durch das
Reichskammergericht ergänzt. Auch mit dem Verfall der landständischen Verfassungen
dauerte indessen die Bestätigung der Landesprivilegien und damit die Zusicherung
fort, „keine neue Steuer von den Ständen ohne deren Zustimmung zu verlangen“.
Hatte schon die Zusammensetzung der drei Stände zu einer ungleichen Vertheilung
der Steuerlast geführt, so wirkten im Verlauf der Zeit noch nachtheiliger der An-
theil der Stände an der Untervertheilung der Steuern und jene negativen Privilegien
zur Abwehr direkter Besteuerung. Die wachsenden Staatsbedürfnisse wurden damit
auf ein System indirekter Steuern, auf eine fast ausschließliche Belastung des Bauern-
standes und demnächst der Städte verwiesen. Die veralteten Kriegsdienste der Ritter-
güter wurden in sehr ungleichem Maße und selten mit einem wirklichen Aequivalent
von G. ersetzt. Es entstand daraus ein überaus ungleichartiges, zufälliges Ver-
hältniß des Grundbesitzes zur Staatssteuerlast, dessen Ausgleichung auch in größeren
Territorien theils durch die nominelle Fortdauer landständischer Verfassungen, theils
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 14