Gustermann — Gutachten. 217
wegen entzogener Grundsteuerfreiheit, Leipz. 1855. — Art. Gesetz in Weiske's Rechtslex. —
Auch gab er eine Umarbeitung von Haubold's Lehrbuch des Sächs. Priv.R., Leipz. 1829,
heraus und verfaßte grr 100 lat. Programme.
Lit.: Ersch u. Gruber. — Mohl, I. 442. Teichmann.
Gustermann, Anton Wilhelm, 86 gegen 1760, wurde 1797 Professor am
Theresianum, J 24. I. 1823.
Schriften: Versuch eines vollst. Oesterr. Staats R., 1793. — Ausb. d. Verf. d. Königr.
Ungarn, 1811. — Ungar. Staats R., 1818. — Oesterr. Privatrechtspraxis (3), 1823. — Oesterr.
Kirchenrecht (1807), 1812. — Er übersetzte Filangieri, Wiss. d. Gesetzgebung, 1I. Th. 1784.
Lit.: Wurzbach, VI. 44. — Schulte in d. Allg. Deutsch. Biogr. X. 212.
Teichmann.
Gutachten, ärztliches (Parere medicum, Arbitrium, Visum repertum) ist
die schriftliche oder mündliche Deutung eines gerichtsärztlichen Befunds durch Sach-
verständige im Sinne richterlicher Fragestellung. Die Voraussetzung des G. ist der
aktenmäßige Befund, wie er in Form eines legalen Obduktionsprotokolls, eines
mikroskopischen oder chemischen Nachweises, der Konstatirung und Beschreibung einer
Verletzung, eines Geisteszustands vorliegt.
Von der Genauigkeit des Befunds hängt die Sicherheit der Schlüsse des G.
und namentlich die aller später etwa nothwendigen Begutachtungen ab. Deshalb
enthalten die StrasP O. ziemlich genaue Bestimmungen, wie solche Befunde, speziell
bei Leichenöffnungen, Untersuchungen auf Gift rc. zu gewinnen sind. In der Regel
muß das den Befund enthaltende Protokoll sofort in Gegenwart des Untersuchungs-
richters abgefaßt werden. Die Darstellung des Befunds muß treffend, ausführlich,
streng objektiv, mit thunlicher Vermeidung von Kunstausdrücken, die aber in Paren-
these beigefügt werden können, stattfinden. Dazu gehört bei Vergiftungsfällen und
mikroskopischen Untersuchungen die genaue Darstellung der Methode, mittels welcher
der konkrete Befund erzielt wurde. Das Befundprotokoll verzeichnet Datum, Tages-
zeit, Ort der Untersuchung, Namen der betheiligten Personen, die Thatsache ihrer
Beeidigung. Daran reiht sich das Ergebniß des Augenscheins und eventuell der
Leichenöffnung, für welche besondere Instruktionen bestehen, und bei welcher regel-
mäßig die Eröffnung der drei Körperhöhlen vorzunehmen ist. Besonders hier ist
Klarheit der Sprache, treue objektive Wiedergabe des Wahrgenommenen von größter
Bedeutung. Dem Protokoll, nachdem es geschlossen und von den Betheiligten unter-
zeichnet ist, dürfen Ergänzungen nicht beigefügt werden, auch sollen Korrekturen
möglichst spärlich und so, daß der ursprüngliche Text erkennbar bleibt, stattfinden.
Auf Grundlage des Befunds wird das „G.“ abgegeben. Dasselbe kann
nach Ermessen des Richters in der Voruntersuchung wie auch in der Regel im Civil-
forum ein schriftliches sein. In der Hauptverhandlung sind nur mündliche G. zu-
lässig. Das (schriftliche) G. kann dem Befundprotokoll sofort angeschlossen werden,
in schwierigeren Fällen wird eine gewisse Frist zur Erstattung wünschenswerth und
nothwendig sein. Im letzteren Fall wird das G. auf den aktenmäßigen Befund sich
beziehen, ohne diesen zu rekapituliren, bei komplizirten Fällen, z. B. zweifelhaften
Geisteszuständen, wo Beurtheilungsmaterial zudem da und dort in den Akten zerstreut
ist und zu verschiedenen Zeiten gewonnen wurde, ist es gut, dem G. den Befund in
Form einer Species facti, Krankengeschichte 2c. vorauszuschicken.
Nur aktenmäßige Thatsachen dürfen den Schlüssen des G. als Grundlage dienen.
In der Regel ist der Weg des G. durch bestimmte Fragestellung vorgezeichnet. Es
ist wünschenswerth, daß der Richter diese Fragen klar und präzis in gemeinverständ-
licher und an naturwissenschaftliche Begriffe sich anlehnender Sprache stelle, juristische
Termini möglichst vermeide, wenn nicht Uebergriffe in fremdes Gebiet, Mißverständ-
nisse und Streitigkeiten erfolgen sollen. Den Sachverständigen muß es freistehen,
auf unzweckmäßige Fragestellung den Richter aufmerksam zu machen und eine Ver-