226 Haftbefehl.
wurden, als dies nach den Grundsätzen des alten Inquisitionsprozesses thunlich ge-
wesen war. Von den älteren Gesetzen suchte namentlich die Preuß. Krim. O. vom
Jahre 1805 die Untersuchungshaft einzuschränken und zu mildern. Nach den Bestim-
mungen der RtrafP/t O., deren neunter Absch. im I. Buch von der Verhaftung
und vorläufigen Festnahme (s. diesen Artikel) handelt, ist die Beschränkung der
persönlichen Freiheit zu strafprozessnalischen Zwecken abhängig von dem Erlaß eines
richterlichen H. Als wichtigste Zweckbestimmung fällt dabei die Verhängung der
Untersuchungshaft ins Gewicht.
Ueber die Gründe, die den Erlaß eines H. rechtfertigen, s. d. Art. Flucht-
verdacht, Kollusionshaft und Untersuchungshaft.
Abgesehen von der Motivirung eines H. durch Fluchtverdacht oder Besorgniß
einer Kollusion wird überall vorausgesetzt, daß dringende Verdachtsgründe einer er-
heblichen Strafthat vorliegen. Nur ausnahmsweise wird die Verhaftung in Fällen
zugelassen, in denen das Gesetz eine Geldstrafe oder Haft androht.
Kompetent zum Erlaß eines H. ist nur der Richter. Dem Interesse größerer
Rechtssicherheit, der Vermeidung von Irrthümern und der Geltendmachung des dem
Angeschuldigten zustehenden Beschwerderechts dienen die aus England stammenden
formalen Vorschriften, insbesondere der Grundsatz der Schriftlichkeit des dem An-
geschuldigten bei der Verhaftung vorzuweisenden oder spätestens am Tage nach
seiner Einlieferung bekannt zu machenden H., in welchem enthalten sein muß: ge-
naue, eine Verwechselung der Personen thunlichst ausschließende Bezeichnung des
Angeschuldigten nach den vorliegenden Merkmalen seiner Identität, die Angabe der
ihm zur Last gelegten Handlung, sowie der Grund der Verhaftung, der neben dem
Verdacht der Thäterschaft den Richter zum Erlaß eines H. bestimmt hat. Auch ist nach
Deutschem Strafprozeßrecht der Angeschuldigte besonders darauf aufmerksam zu machen,
daß ihm ein Beschwerderecht zustehe, welches er entweder in eigener Person oder
durch einen Vertheidiger geltend machen kann. Der Grundsatz, daß nur der Richter
über die Untersuchungshaft zu beschließen hat, wird alsdann auch darin gewahrt,
daß Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei nur zu einer vorläufigen Festnahme
schreiten dürfen und gehalten sind, binnen kürzerer gesetzlich normirter Zeitfrist den
Festgenommenen vor den Richter zu führen, der das Weitere zu bestimmen hat. In-
gleichem ist ein richterlicher, den gesetzlichen Formvorschriften genügender H. die
Voraussetzung für den Erlaß von Steckbriefen. «
Die materiellen Gründe, welche den Erlaß eines H. rechtfertigen, sind auch ent-
scheidend für die Fortdauer desselben; daher Aufhebung erfolgen muß, wenn der an-
gegebene Grund der Verhaftung hinterher wegfiel oder der Angeschuldigte freigesprochen
oder außer Verfolgung gesetzt wird, ohne daß dabei zum Nachtheil der perfönlichen
Freiheit ein von der Anklagebehörde eingelegtes Rechtsmittel wirksam werden dürtte.
Andererseits ist es selbstverständlich, daß der H. nicht ausfgehoben wird, wenn irriger
Weise eine unrichtige, darin nicht genannte Person verhaftet und hinterher entlassen
wird. Die Wirkungen des H. können durch Sicherheitsleistung abgewendet werden.
Es fragt sich aber: welcher Richter zum Erlaß eines H. kompetent ist. Als pro-
zessualischer Normalfall ist derjenige anzusehen, in welchem der Untersuchungsrichter,
bei welchem die öffentliche Klage erhoben wird, auf Antrag der Staatsanwaltschaft
beschließt. Häufiger wird aber in der Praxis die Erhebung der öffentlichen Klage
der Verhaftung nachfolgen. Der Amtsrichter kann daher auf Antrag der Staats-
anwaltschaft, oder wenn Gefahr im Verzuge ist, sogar von Amtswegen einen H. er-
lassen, vorausgesetzt, daß in seinem Bezirke ein Gerichtsstand begründet ist oder der
zu Verhaftende betroffen wird. Die Dauer eines solchen vor Erhebung der öffent-
lichen Klage erlassenen H. ist aber nicht vom Belieben der Anklagebehörde abhängig
vielmehr an gewisse gesetzlich (§ 126) vorgeschriebene Zeitfristen gebunden. Einer
solchen vor Erhebung der öffentlichen Klage erlassenen H. ist der Richter überdiee
gehalten, auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufzuheben.