Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gefangenhaltung. 21 
vorläufig Ergriffenen. Dagegen würden Diejenigen, welche von einer Privatperson 
vorläufig ergriffen wurden, zu den „Gefangenen“ nicht zu rechnen sein. Auch darf 
man es als selbstverständlich ansehen, daß von G. nur da die Rede sein kann, wo 
die Freiheitsentziehung aus strafrechtlichen, strafprozessualischen oder polizeilichen 
Gründen stattgefunden hat. Ein Geisteskranker, der seiner Krankheit wegen Frei— 
heitsbeschränkungen unterworfen wurde, ist kein „Gefangener“ und kann an ihm das 
Delikt der G. ebensowenig begangen werden, wie etwa an einem Mönche 2c. Wer 
die Flucht Jemandes befördert, der wegen eines begangenen Verbrechens erst ver- 
haftet werden soll, macht sich der Begünstigung desjenigen Verbrechens schuldig, 
wegen dessen die Verhaftung des Schuldigen erfolgen sollte. 
Gsgb.: Rtraf GB. §§ 120—122, 347. — Mil. Straic 79, 80, 103—105, 144. 
Lit.: Fub . 194 ff. — Wächter, II. S. 227. — Berner, S. 361. — 
Schütze, S. 269. —Abeg gim Arch. d. Kriminalr., 1834 S. 8 ff. — v. Schwarze in d. 
Jahrbb. f. Sächsf. StrafR., IV. S. 415 ff. — Fischer in v. Holtzendorff's Allg. Deutschen 
Stras R An von 1869 S. Ern — John in v. Holtzendorff. Handb. d. Deutschen StrafsR., 
4II S. 142 ff.; Bd. IV. S. 171 Note 2. — v. Schwarze u. Oppenhoff, Komm. zu 
22 ff. — Speziell: Ueber d. Unterscheidung zwischen Meuterei u. Aufruhr: John a. a. O., 
d III. S. 143 ff. — Ueber das usammenrotten u. d. „Meuterei“ von nur zwei Gefangenen: 
John a. a. O., Bd. III. S. 145 ff. — Erk. d. Preuß. OTrib. v. 15. Dez. 1870 (Goltdammer's 
Arch., Bd. A S. 193; Präj. d. II. Abth. ! Sen. f. Straff. v. 21. Sept. 1854 (Goltdammer's 
Arch. II. S. 829). — Vgl. oltdammer's Arch. III. S. 413 ff., sowie d. Art. Meuterei 
in diesem Werke. John. 
Gefangenhaltung. Die widerrechtliche G., d. h. die widerrechtliche Frei- 
heitsberaubung mittels Einsperrens in einem genügend umschlossenen Raum ist nur 
eine Art der in den neueren Straf GB. mit Strafe bedrohten widerrechtlichen Frei- 
heitsberaubung. Da jede Person das Recht der Selbstbestimmung hinsichtlich der 
Wahl ihres Aufenthaltes hat, so ist die widerrechtliche Freiheitsberaubung auch 
alsdann vorhanden, wenn Jemand wider seinen Willen an einen Ort gebracht wird, 
der ihm nicht genehm ist. In dieser Weise sind die Worte des Deutschen Straf- 
GB. § 239 aufzufassen: „Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen ein- 
sperrt, oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt.“ 
Indifferent ist es für den Begriff des Verbrechens, wie lange die Freiheitsentziehung 
gedauert hat, und ob und welche Nachtheile dieselbe etwa für die Gesundheit des 
der Freiheit Beraubten gehabt hat. Wol aber kommen diese Umstände für die 
Größe der Strafbarkeit in Betracht und zwar derartig, daß das sonst mit Ge- 
fängniß bedrohte Delikt dann mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft wird, wenn 
die Freiheitsentziehung länger als eine Woche gedauert hat, oder wenn eine 
schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten entstanden ist, mag dieselbe 
nun durch die Freiheitsentziehung selbst, oder durch die während derselben wider- 
fahrene Behandlung verursacht worden sein. Bei mildernden Umständen ist in 
diesen Fällen die Strafe Gefängniß nicht unter einem Monate. Wurde der Tod 
des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während 
derselben widerfahrene Behandlung verursacht, so ist die Strafe Zuchthaus nicht 
unter 3 Jahren, oder bei Annahme mildernder Umstände Gefängniß nicht unter 3 
Monaten. Widerrechtlich ist die Freiheitsentziehung in allen Fällen, in denen 
ein bestimmtes Recht oder eine Pflicht, dieselbe vorzunehmen, fehlt. Berechtigt ist 
die Freiheitsentziehung, wo sie in Folge einer Amtepflicht, als Nothwehr, als 
Züchtigungsrecht, bei der vorläufigen Ergreifung eines Verbrechers, in Sorge für 
die Gesundheit eines Geisteskranken vorgenommen wird. Aber auch fonst wird einer 
Anklage wegen widerrechtlicher Freiheitsentziehung der Einwand entgegengesetzt wer- 
den können, daß dieselbe vorzunehmen der Angeklagte ein Recht gehabt habe. In 
denjenigen Fällen, in welchen sich die Freiheitsentziehung als Bestandtheil eines 
anderen Verbrechens darstellt, z. B. der Entführung, der Nothzucht, wird nicht die 
Freiheitsentziehung, sondern jenes andere Verbrechen zur Bestrafung kommen, falls
	        
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