Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

242 Handelsgerichte. 
des Landgerichts oder für einen örtlich begrenzten Theil desselben errichtet werden 
können (§ 100). 
Nicht überall, wo H. bestehen, ist deren Charakter derselbe. Dieser letztere be- 
stimmt sich wesentlich nach dem größeren oder geringeren Einfluß, welcher dem 
Laienelement, d. h. den Kaufleuten, bei der Rechtsprechung eingeräumt wird. Nach 
dem Französischen System besteht das H. ausschließlich aus kaufmännischen Richtern. 
Im Gegensatz hierzu wurden bei den Kommerz= und Admiralitätskollegien und bei 
den besonderen Gerichtsabtheilungen für Handelssachen, wie sie an einigen Preußischen 
Handelsplätzen vorkamen (Königsberg, Danzig, Stettin, Memel, Elbing), zwar 
auch Kaufleute hingugegogen, aber nur als Beirath für die rechtsgelehrten Richter, 
die allein ein Dezisivvotum hatten. Im übrigen Deutschland war vor der neuen Ge- 
richtsorganisation eine gemischte Zusammensetzung der H. aus kaufmännischen und 
gelehrten Richtern vorherrschend, so daß beiden Kategorien Stimmrecht zukam. 
Hierbei sanden wieder Verschiedenheiten in Bezug auf das Zahlenverhältniß statt: 
ein rechtsgelehrter Vorsitzender und mehrere kaufmännische Beisitzer (Samburg, Bremen) 
oder mehrere Kaufleute und mehrere Juristen (2 und 3 oder 3 und 2: Braun- 
schweig, Bayern, Württemberg u. A.). Nach dem Deutschen GVG. sind die 
Kammern für Handelssachen mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzendem 
und zwei Handelsrichtern besetzt, die sämmtlich Stimmrecht haben. Nur in Streitig- 
keiten, die sich auf das Rechtsverhältniß zwischen Rheder oder Schiffer und Schiffs- 
mannschaft beziehen, kann die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein erfolgen (§109). 
In Frankreich bestehen die H. nur für die erste Instanz, in der Appellations-= 
und Kassationsinstanz entscheiden die ordentlichen Gerichte. In dieser Hinsicht sind 
die meisten Staaten dem Französischen Beispiel gefolgt, so auch das Deutsche GV. 
(§ 101). Verhältnißmäßig selten kommt es vor, daß auch für die zweite oder gar 
die dritte Instanz die Bildung eigener H. oder die Zuziehung kaufmännischer Sach- 
verständiger angeordnet ist (früher in Bayern, Württemberg, Hamburg). 
Die Wahl der kaufmännischen Handelsrichter erfolgt in der Regel (ebenfalls 
nach Französischem Muster) auf eine Reihe von Jahren durch Notable aus dem 
Handelsstande. Die Listen der Wähler werden gewöhnlich durch die Staatsbehörde 
festgestellt, die Gewählten von derselben ernannt und vereidigt. Sie versehen ein 
unentgeltliches Ehrenamt. Das Deutsche GV G. hat diesen Wahlmodus beseitigt. Die 
Ernennung erfolgt durch die Staatsgewalt auf gutachtlichen Vorschlag des zur Ver- 
tretung des Handelsstandes berufenen Organs, und zwar zunächst für die Dauer von 
drei Jahren, wobei jedoch eine wiederholte Ernennung nicht ausgeschlossen ist. Die 
nähere Bestimmung des Organs, dem das Vorschlagsrecht zusteht, sowie der Akt, 
wie die Vorschläge zu machen sind, ist der Landesgesetzgebung anheimgestellt. Fähig, 
Handelsrichter zu sein, ist jeder Deutsche, der 30 Jahre alt, als Kaufmann oder 
Vorstand einer Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist oder war, im 
Bezirk der Kammer für Handelssachen seinen Wohnsitz hat und nicht durch gerichtliche 
Anordnung in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist (§8 111—113)9. 
Große Schwierigkeiten macht es, die Kompetenz der H. gesetzlich zu bestimmen. 
Die Grundlagen, die sich in den kaufmännischen Innungen und in der Abgrenzung 
der verschiedenen Berufsstände früher hierfür darboten, sind gegenwärtig weggefallen: 
deshalb ist es nöthig, von einem objektiven Begriff der Handelssachen und Handels- 
geschäfte auszugehen. Dieser aber läßt sich unmöglich zweifelsfrei feststellen, viel- 
fache Streitigkeiten über die Frage, ob das H. zuständig ist oder nicht, sind daher 
unumgänglich; sie bilden namentlich eine Hauptbeschwerde der Französischen Handels- 
jurisprudenz, und ist es nicht zu leugnen, daß die auf Grund angeblicher Unzuständig- 
keit des H. erhobenen Einwendungen häufig zu einer großen Verschleppung der 
Prozesse führen. Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden, es ist nur 
hervorzuheben, daß nach Französ. R. die H. bei allen Transaktionen unter Kauf- 
leuten, ferner auch so weit es sich zwischen anderen Personen um actes de com-
	        
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