248 Handelsgesellschaft.
diesen Vereinigungen oder einzelnen Arten derselben die Bezeichnung „uneigentliche
H.“ beizulegen, da die allgemeinen Bestimmungen des HGB. über H. auf sie nicht
Anwendung finden.
Mit Recht ist es auf den Nürnberger Konferenzen vermieden worden, allgemeine
Grundsätze über die privatrechtliche Stellung der H. aufzustellen. Der wirthschaft-
liche Zweck und die rechtliche Gestaltung der einzelnen H. ist ein derartig verschie-
dener, daß durch die Aufstellung allgemeiner Pringipien die Lehre der einzelnen In-
stitute hätte verwirrt werden müssen.
Eine offene H. ist eine solche, bei welcher zwei oder mehrere Personen ein
Handelsgewerbe unter gemeinschaftlicher Firma betreiben und bei keinem der Gesell-
schafter die Betheiligung auf Vermögenseinlagen beschränkt ist (Art. 85, Abs. 1
des HGW.).
Wesentliche Erfordernisse der offenen H. sind hiernach:
1) Gewerbemäßiger Betrieb von Handelsgeschäften und zwar unter Vollkaufleuten.
2) Gemeinschaftliche Firma (vgl. Entsch. des ROPp#G. Bd. II. S. 423; Bd. VII.
131; Bd. XII. S. 410).
3) Unbeschränkte Haftung der einzelnen Gesellschafter nach Außen.
Die historische Entwickelung hat erst sehr allmählich den Begriff der offenen H.,
wie er in dem HGB. seinen Abschluß gefunden hat, herausgebildet.
I. Den Kulturvölkern des Alterthums, insbesondere den Griechen und Römern,
waren zwar Vereinigungen verschiedener Personen zu Handelszwecken sehr wohl be-
kannt, es fehlte aber namentlich auf Grund der ausgebildeten Sklavenwirthschaft
jedes Bedürfniß, die H. anders zu konstruiren als jede beliebige andere Sozietät.
Die Römische Sozietät war daher kein spezifisch handelsrechtliches Institut, sondern
konnte alle möglichen Zwecke auch außerhalb des handelsrechtlichen Gebiets ver-
folgen. Sie war nichts als ein Konsensualvertrag, der unter den Gesellschaften
Rechte und Pflichten erzeugte, Dritten gegenüber keine Wirkungen äußerte. Die
praktischen Refultate, die im heutigen H. R. durch die Natur der offenen H. erzielt
werden, waren im Wesentlichen durch die Ausbildung des peculium und der merx
peculiaris gegeben, es ist aber eine vollkommene Verkennung dieser Begriffe, wenn
man sie, wie es vielfach geschehen, als Quelle und nicht vielmehr blos als Analogie
des heutigen H. rechts verwerthen will.
II. Die eigentliche Quelle der modernen offenen H. bildet das Recht des
Mittelalters, wie es uns insbesondere in den Statuten der Italienischen Städte seit
dem 12. Jahrhundert erhalten ist. Es hat sich hier zuerst der Gedanke entwickelt, daß
der Zweck einer H. über das Individuum hinausgeht, daß die Gesellschaftsinteressen
nicht den Sonderinteressen der einzelnen Gesellschafter geopfert werden dürfen.
Ihren Ursprung haben die offenen H. in dem Familienrecht. Die Sippe, an
deren Stelle später die Familie, das Haus gesetzt wurde, vertrat ursprünglich das
Individuum vollkommen. Die Gesammtheit haftet für Schulden und Delikte des
Einzelnen, jeder Einzelne haftet für den Anderen. Das strenge Prinzip wurde bei den
Kollateralen durchbrochen, die nur noch, wenn sie in wirklichem Konsortium standen
oder gemeinsamen Haushalt zum Zwecke gemeinsamen Gewerbebetriebs führten, für
die Anderen hafteten. Das letztere Prinzip wurde schließlich das maßgebende und
wurde die OQuelle der Haftung auch unter Fremden. Schon der noch heute bis-
weilen für offene H. übliche Ausdruck „Mascopey“, mag man ihn von „Magen-
schaft", d. h. Verwandtschaft oder von maas, d. h. Speise, ableiten, sowie die Ent-
stehung des Namens „Kompagnon“ (compagni e tutti gli assendenti e descendenti
ee duelli che con loro stanno ad uno pane) weisen auf diese Entstehungsgeschichte
hin (vgl. Lastig). Hand in Hand mit der Entwickelung der Solidarhaft, die aller-
dings unter Handelsgesellschaftern, abweichend von der Familiengenossenschaft, nur da
Platz griff, wo es sich um Gemeinschaftsangelegenheiten handelte, bildete sich der
Grundsatz aus, daß ein jeder Gesellschafter als Stellvertreter des Anderen alle Arten