Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Handelsgesellschaft. 251 
Es können indessen einzelne, ja sogar auch alle Gesellschafter von der Geschäfts- 
führung ausgeschlossen sein (Art. 99) oder es kann mehreren dieselbe mit der aus- 
drücklichen Beschränkung übertragen sein, daß einer nicht ohne den anderen handeln 
könne (Art. 100). — Die Geschäftsführung erstreckt sich auf Vornahme aller Hand- 
lungen, welche der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt; nur 
zur Bestellung eines Prokuristen — nicht auch zum Widerruf der Prokura — ist, 
sofern nicht Gefahr im Verzuge ist, Einwilligung aller resp. der geschäftsführenden 
Gesellschafter erforderlich (Art. 104). — Erhebt einer der geschäftsführenden Gesell- 
schafter Widerspruch gegen die Vornahme einer Handlung, so muß dieselbe unter- 
bleiben (Art. 100, 102). Einstimmiger Beschluß der sämmtlichen, auch der nicht 
geschäftssführenden, Gesellschafter muß vor der Vornahme von Geschäften eingeholt 
werden, welche über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen 
oder welche dem Zwecke desselben fremd sind (Art. 103). In dem durch diese Grund- 
sätze zur Geltung gebrachten Stimmeneinhelligkeitsprinzip tritt die Sozietätsnatur 
der offenen H. scharf hervor (vgl. Code civil art. 1859 No. 1 und die Englische 
Gesellschaftsacte vom 7. August 1862). 
3) Mit dem Recht und der Pflicht zur Geschäftsführung korrespondirt die Be- 
rechtigung jedes einzelnen, auch des nicht geschäftsführenden Gesellschafters jeder Zeit 
in das Geschäftslokal zu kommen und Einsicht von den Handlungsbüchern und 
Papieren zu nehmen, sowie auf ihrer Grundlage eine Handelsbilanz aufzustellen 
(Art. 105; vgl. art. 14 Code du commerce). Der rechnungspflichtige Gesellschafter 
genügt seiner Aufgabe — Darlegung aller Thatsachen, aus denen sich der Umfang 
seiner Verpflichtung ermessen läßt — durch Vorlegung von ordnungsmäßig geführten 
Geschäftsbüchern. Inwieweit derselbe im Fall unordentlicher Buchführung noch zu 
anderweitiger Rechnungslegung verpflichtet ist, richtet sich nach dem konkreten Fall 
(Entsch. des ROPH. Bd. XIV. S. 88; Bd. XXV. S. 179, 344). 
4) Kein Gesellschafter ist verpflichtet in Gesellschaftsangelegenheiten mehr Sorg- 
falt und Fleiß als in seinen eigenen Angelegenheiten anzuwenden, er haftet der Ge- 
sellschaft aber für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden, ohne daß er da- 
gegen die in anderen Fällen durch seinen Fleiß entstandenen Vortheile aufrechnen 
könnte (Art. 94). Wenn ein Gesellschafter mit Geldzahlungen an die Gesellschafts- 
kasse in Verzug geräth, so hat er die Summe mit 6 Prozent zu verzinsen oder den 
höheren Schaden zu erstatten (Art. 95). Der geschäftsführende Gesellschafter kann 
Vergütung nicht für solche Bemühungen, welche zum Betriebe des Geschäfts über- 
haupt gehören, verlangen, wenn auch dieselben eine besondere Kunst oder Wissenschaft 
erfordern, wol aber ist er befugt, Schadloshaltung für den von ihm gemachten Ver- 
mögensaufwand, für die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten und die mit der 
Geschäftsführung unzertrennlichen Gefahren zu fordern (Art. 93). 
5) Ein Gesellschafter kann ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter keinen 
Dritten auch nicht als stillen Gesellschafter (Entsch des RO#G. Bd. XIII. S. 64) 
in die Gesellschaft aufnehmen, sofern derselbe Rechte gegen die Gesellschaft und nicht 
blos gegen den aufnehmenden Gesellschafter erwerben soll (Art 98, ebenso Französ. R. 
art. 1861 Code civil; anders bei der unlimited company des Englischen R.). 
6) Ein Gesellschafter darf ohne Genehmigung der anderen Gesellschafter weder 
in dem Handelszweige der Gesellschaft für eigene Rechnung oder Rechnung eines 
Dritten Geschäfte machen, noch an einer anderen gleichartigen H. als offener Ge- 
sellschafter theilnehmen (Art. 96, 97). 
III. Die Vorschriften des HGB. über die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft 
nach Außen (Art 110—122) sind zwingendes Recht, welches durch Privatdispositionen 
nicht geändert werden kann. Es treten hier insbesondere die oben erwähnten 
Modifikationen der Sozietätsnatur der offenen H. zu Tage. 
1) Die eigenthümliche Natur des Gesellschaftsvermögens wird von v. Hahn 
treffend dahin erklärt: „Die Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, daß über die
	        
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