Gefängnißarbeit. 23
Der Ertrag der Arbeit gehört den Sträflingen vorbehaltlich eines Abzuges für den
mit der Beschäftigung verbundenen Aufwand.
Auf die nach Vorschrift des § 361 Nr. 3 bis 8 des Rötraf GB. Verurtheilten
finden die für die Beschäftigung der Gefängnißsträflinge gegebenen Bestimmungen
mit der Maßgabe Anwendung, daß die Beschäftigung derselben außerhalb der Anstalt
auch ohne ihre Zustimmung und für die ganze Dauer der Straszeit zulässig ist."
3) Was die Art anbelangt, wie die Beschäftigung in den einzelnen Straf-
anstalten durchgeführt und geleitet werden soll, so ist in Deutschland das in Frank-
reich übliche System der sog. Generalentreprise nirgends in Anwendung als
etwa noch in den Reichslanden. Dieses System besteht darin, daß ein Unter-
nehmer sich verpflichtet, sämmtliche Gefangene einer Strafanstalt gegen ein gewisses
Entgelt für den Kopf und Tag nach einem festgesetzten Reglement in gesunden und
kranken Tagen zu verpflegen, d. h. zu beköstigen, zu bekleiden, zu reinigen 2c., alle
dazu nöthigen Requisiten zu stellen, wogegen er das Recht erhält, die Gefangenen
nach gewissen Vorschriften auf seine Rechnung zu beschäftigen.
In Norddeutschland sind die Arbeitskräfte der Gefangenen, soweit solche nicht
für die Bedürfnisse des Hauses in Anspruch genommen werden, gewöhnlich an einen
Unternehmer vergeben, der für Kopf und Tag einen bestimmten Preis zahlt.
In den meisten Süddeutschen Strafanstalten wird der Arbeitsbetrieb in eigener
Regie besorgt, d. h. die Verwaltung beschäftigt die Gefangenen auf eigene Rech-
nung und besorgt dann selbstverständlich den Einkauf der Rohstoffe und den Absatz
der Fabrikate. Es leuchtet ein, daß diese Art des Geschäftsbetriebs äußerst schwierig,
mühsam und verantwortungsvoll ist; sie hat aber auch den Vortheil, daß die Ver-
waltung über die einzelnen Geschäftszweige vollkommen freie Bestimmung und über
die solche beaufsichtigenden Bediensteten volle Gewalt hat.
4) Welches System das richtige sei, und wie hierbei und in der Wahl der
einzelnen Arbeitszweige die freie Arbeit am wenigsten durch die Gefängnißarbeit ge-
schädigt werde, war von jeher eine bestrittene Frage.
Es ist sicher nicht zweckmäßig, wenn eine allzugroße Zahl billiger Arbeitskräfte
auf einen einzigen Zweig geworfen werde, wie dies bei der Entreprise vorkommt,
und anderentheils scheint es wol am meisten unbedenklich, wenn, wie in Baden
a) Gefängnißarbeit in eigener Regie betrieben, b) auf möglichst vielerlei Gewerbs-
zweige ausgedehnt, c) dabei Kundenarbeit thunlichst ausgeschlossen, d) ein möglichst
weites Absatzgebiet gesucht, und e) der Preis der Erzeugnisse recht hoch gehalten wird.
5) Das Neueste und Interessanteste auf dem vorwürfigen Gebiete ist die En-
quête des Deutschen Handelstages, wenn sie freilich das Problem auch
nicht gelöst hat und die überall schwierige Frage nicht beantworten konnte, wie die
kurzzeitigen Gefangenen zu beschäftigen sind. Die vom bleibenden Ausschuß des
Deutschen Handelstages eingesetzte Kommission kam in ihrer Verhandlung zu dem
Resultat, a) daß die Nothwendigkeit einer produktiven Beschäftigung von Gefangenen
von keiner Seite bestritten sei; b) daß sich das System des eigenen Regiebetriebs
empfehle; c) daß in erster Linie die Zwecke des Strafvollzugs zu berücksichtigen und
ein überwiegender Einfluß weder dem Erwerbs= noch dem fiskalischen Standpunkte
zuzuerkennen sei; d) daß sich eine möglichste Vielgestaltigkeit der Betriebszweige in
jeder einzelnen Anstalt empfehle; e) daß die Herausgabe periodischer, eingehender
Veröffentlichungen über Art und Umfang der Beschäftigung von Gefangenen unter
Anbahnung einheitlicher Grundlagen über die Prinzipien dieser Veröffentlichungen in
den verschiedenen Bundesstaaten geboten sei.
Lit.: Bauer, Gewerbsbetrieb in den Strafanstalten, Karlsruhe 1861. — v. Schwarze,
Komment., 4. Aufl., S. 59 ff. — Elätter für Gefängnißkunde, Heidelb., insbes. Bd. IV. Extra-
heft: Bd. . läl: Bd. VIII. — Enquête des Deutschen Handelstages über den
Einfluß der Gefängnißarbeit auf ##n# ren Gewerbebetrieb, Berlin 1878. — v. Holtzen-
dorff, Handbuch des Deutschen Straf R., 4. (Supplement-) Band S. 182 ff. Etert
ert.