Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Hauptverhandlung. 273 
daß im gegenwärtigen Artikel alle aus der Besonderheit des Schwurgerichts- 
verfahrens (s. diesen Art.) sich ergebenden Momente unberücksichtigt geblieben sind. 
I. Vorbereitung der H. Sobald die Entscheidung über „die Eröffnung 
des Hauptverfahrens“ (s. diesen Art.) oder Versetzung in Anklagestand erfolgt 
ist, tritt die Sache in das Stadium der „Vorbereitung“ der H. Aufs die mannig- 
faltigen, zum Theil administrativen Veranstaltungen, welche die Anberaumung 
der H. bezwecken, kann hier nicht näher eingegangen werden (s. übrigens d. Art. 
Gerichtsvorsitzender, strafpr.). Zunächst handelt es sich darum, den Angeklagten 
mit seiner Lage bekannt zu machen. Unerläßlich ist zu diesem Zwecke dessen Ladung 
(. diesen Art.) zur H. Nach Französ. R. muß in schwereren Straffällen, nach 
Deutschem in jenen Fällen, wo die Versetzung in Anklagestand gegen den Antrag 
der Staatsanwaltschaft erfolgte, nach dem sie verfügenden Gerichtsbeschluß die An- 
klageschrift (s. d. Art. Eröffnung des Hauptverfahrens) zugestellt werden. Ist 
der Angeklagte bei einem anderen Gerichte in Haft, als welches die H. vorzunehmen 
hat, so wird er jetzt in dessen Gefängniß abgeliefert. Hieran reiht sich in schwereren 
Fällen nach Französ. und Oesterr. R. das sog. Präsidentenverhör. Die wich- 
tigste Aufgabe für dieses Stadium des Verfahrens ist die Vorbereitung des Beweis- 
verfahrens ((. diesen Art.) in der H. — Ein weiterer regelmäßig in dieses Stadium 
des Verfahrens fallender Vorgang ist die Vorsorge für Bestellung eines Ver- 
theidigers des Angeklagten, namentlich dann, wenn die Vertheidigung eine noth- 
wendige ist. — Zu den Aufgaben, welche im Vorbereitungsstadium zu lösen sein 
können, gehört namentlich auch die Bestimmung des Ortes der Verhandlung. 
Regelmäßig ist dies allerdings der Sitz des erkennenden Gerichtes, und insofern ist 
der Ort auch dann bestimmt, wenn nach Zulaß des Deutschen G. (§ 78) bei 
einem Amtsgerichte eine (sog. auswärtige) Strafkammer gebildet ist. Allein nach 
§ 98 dieses Gesetzes kann die Strafkammer des Landgerichtes bestimmen, daß einzelne 
Sitzungen des Schwurgerichtes nicht am Sitze des Landgerichtes, sondern an einem 
anderen Orte innerhalb des Bezirkes abgehalten werden. Die gleiche Anordnung 
kann nach der Oesterr. StrafP O. (§ 297) in Schwurgerichtsfällen das Oberlandes- 
gericht treffen; in Straffällen mittlerer Ordnung kann der Vorsteher des Gerichts- 
hofes verfügen, daß die H. am Sitze jenes Bezirksgerichtes abgehalten werde, in dessen 
Sprengel die That begangen wurde (§ 221, Abs. 2). — Das Französ. R. hat, 
allerdings nur in Schwurgerichtsfällen und in Anknüpfung an das für diese vor- 
geschriebene Verhör des Angeklagten, die Möglichkeit einer Nachtragsinstruktion 
(Instruction intermédiaire) anerkannt; wie bestritten auch immer diese Materie sein 
mag, ist hier doch die Möglichkeit geboten, neu auftauchende Zweifel aufzuklären, neue 
Wendungen, welche die Dinge so oft nehmen, in gehörige Form zu bringen. Es 
brauchen hier nur Zwischenfälle, wie der, daß die geistige Gesundheit des Angeklagten 
zweifelhaft wird, daß ein Anderer der ihm zur Last gelegten That dringend ver- 
dächtig wird, oder sie gesteht, — daß die Vermuthung austaucht, der angeblich 
Ermordete sei noch am Leben u. dgl., erwähnt zu werden. Allerdings bietet auch 
das Französ. R. keine Handhabe dafür, daß die entbehrlich gewordene H. entfalle; 
die Deutsche Straf P O. regelt aber die Materie überhaupt nicht. Nach der Oesterr. 
StrafP# O. (§§ 224, 225, 227) können Ankläger und Angeklagter Vervollständigung 
der Voruntersuchung durch Bezeichnung bestimmter Umstände, welche zu erheben sind, 
beantragen; tritt der Vorsitzende dem Antrag bei oder giebt demselben ungeachtet der 
Bedenken des Vorsitzenden die Rathskammer Folge, so ist die Erhebung vom Vor- 
sitzenden ohne Zeitverlust „zu veranlassen“ und beiden Parteien von dem Ergebniß 
zum Zweck allfälliger Einsichtnahme und weiterer Anträge Kenntniß zu geben. 
Der Staatsanwalt wird in Fällen dieser Art nach Lage der Sache entweder, von 
seiner allgemeinen Befugniß Gebrauch machend, von der Anklage zurücktreten, was 
die Einstellung des Verfahrens durch die Rathskammer zur Folge haben muß, oder 
er wird (was ihm nur im Falle solcher Zwischenerhebungen gestattet ist) die von 
d. Holtzendorff, Ene. II. Rechtslexikon II. 83. Aufl. 18
	        
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